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Sport: Von Rang 300 nach vorn gekämpft Mary Pierce ist in der Form ihres Lebens

Ihr Auftritt hat etwas seltsam Antiquiertes. Die Kolleginnen gleichen einem Paradiesvogel oder einem Model, Mary Pierce hingegen hält es mit der Arbeitskleidung in diesen Tagen ganz schlicht.

Ihr Auftritt hat etwas seltsam Antiquiertes. Die Kolleginnen gleichen einem Paradiesvogel oder einem Model, Mary Pierce hingegen hält es mit der Arbeitskleidung in diesen Tagen ganz schlicht. Den Court bei den US Open betritt sie im weißen Shirt und mit weißer Hose, nur die Farbe der breiten Seitenstreifen wechselt. Auch ihr Tennisschläger ist frei von Herstellerlogos, ein sicheres Zeichen, dass sie nicht mehr als eine lukrative Investition gilt. Wegen des Geldes müsste die 30 Jahre alte Französin ohnehin keine Filzbälle mehr über das Netz schlagen, in besseren Zeiten verdiente sie Millionen. Aber da ist diese kleine Stimme in ihr, die nicht still sein will. Pierce selbst beschreibt sie so: „Du bist noch nicht fertig, sagt sie, es ist noch nicht an der Zeit, in Rente zu gehen. Es sind noch große Dinge übrig, die du im Tennis erreichen kannst.“

Die einstige Tennis-Diva, die Gegnerinnen und Publikum mit ihren Mätzchen auf dem Court nervte, ist mit den Jahren ruhiger geworden. Zwischenzeitlich in der Weltrangliste in Regionen um Rang 300 abgerutscht, erlebt sie gerade einen dritten Frühling. Bei den French Open unterlag sie erst im Finale der Belgierin Justine Henin-Hardenne, in Wimbledon musste sie sich in der Runde der letzten acht nur knapp der damaligen Nummer eins Lindsay Davenport beugen. Und in Flushing Meadows steht sie nun sogar wieder im Finale, wo sie Samstagnacht auf die Belgierin Kim Clijsters traf (nach Redaktionsschluss beendet).

Es war ihr 13. Anlauf auf den Titel bei den US Open. Bislang hat sie in ihrer Karriere die Grand-Slam-Titel bei den Australian Open (1995) und in Roland Garros (2000) gewonnen. „Das klingt doch nach einem perfekten Fünf-Jahres-Plan“, witzelte der ehemalige Tennisstar John McEnroe, der in New York als Fernsehkommentator auftritt. Der Konkurrenz allerdings ist der Spaß inzwischen vergangen. Ihre Fed-Cup-Kollegin spiele derzeit das beste Tennis ihrer Karriere, konstatierte Amelie Mauresmo, nachdem sie Pierce im Viertelfinale unterlegen war. „Wahrscheinlich hat sie Recht“, sagte Pierce, „ich bin selbstbewusst und fühle mich physisch absolut fit.“

Damit war kaum noch zu rechnen gewesen, plagten Pierce in den vergangenen Jahren doch zahlreiche und langwierige Verletzungen. Mal war es die Schulter, die streikte, dann wieder der Rücken, dann die Sehnen, die Muskeln, die Knochen. Doch jetzt hämmert sie ihre Bälle wieder mit voller Wucht in die gegnerische Hälfte, und wenn sie muss, kann sie auch richtig schnell laufen. Im Halbfinale bekam die Russin Jelena Dementjewa zudem zu spüren, dass Pierce auch ihre Rolle als Schauspielerin noch immer perfekt beherrscht. Nachdem sie den ersten Durchgang 3:6 verloren hatte, rief sie die Physiotherapeutin und ließ sich zwölf Minuten lang auf dem Platz behandeln.

Dementjewas Konzentration war dahin. Sie leistete sich gleich zu Anfang des zweiten Satzes drei Doppelfehler – und verlor 2:6, 2:6. Hinterher giftete die Russin: „Es ist eine faire Sache, ein Spiel mit einem unglaublichen Punkt umzudrehen oder mit einem Rhythmuswechsel. Aber zwölf Minuten Pause? Das ist kein Fairplay. Doch wenn sie meint, nur so gegen mich gewinnen zu können, bitte schön...“ Pierce hörte sich die Klage geduldig an, hatte aber sichtlich Mühe, ein Grinsen zu unterdrücken. Treuherzig versicherte sie: „Ich habe nur getan, was ich tun musste – für meinen Körper, meine ich natürlich.“

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