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Schach-WM 2008: Was in Bonn getan wird, um Betrug zu verhindern

Bei der Schach-WM in Bonn wird alles getan, um Betrug zu verhindern

Rund 400 schweigende Menschen blicken wie durch ein überdimensionales Fliegengitter auf die beiden Kontrahenten hinab. Im hellen Scheinwerferlicht können die Zuschauer den Spielern beim Grübeln zusehen, auch das riesig blaue Schachbrett, das die aktuelle Spielposition anzeigt, leuchtet weithin sichtbar. Doch umgekehrt sehen die Spieler die im Dunkeln sitzenden Zuschauer nicht. Zwischen dem Publikum in der Bonner Bundeskunsthalle und den beiden Schach-Großmeistern Wladimir Kramnik und Viswanathan Anand steht ein ungefähr 20 Meter breites und 10 Meter hohes Netz aus schwarzem Gaze – im Namen der Fairness.

Denn bei dieser Schach-WM soll verhindert werden, dass Kramnik und Anand heimlich Zeichen aus dem Zuschauerraum empfangen. So soll eine der größten Gefahren für das Schach gebannt werden: der verbotene Einsatz von Computern. In bestimmten Spielsituationen sind die weltbesten Schachprogramme den weltbesten Schachspielern mittlerweile überlegen; zwar nicht in allen, aber auf jeden Fall in solchen, in denen tief und genau gerechnet werden muss. In diesen Stellungstypen kann jeder, der über einen schnellen Computer, eine gute Software und ein bisschen Schachverständnis verfügt, eine live im Internet übertragene Partie besser beurteilen als die Großmeister am Brett. Menschen mit krimineller Energie könnten sich dies zunutze machen und die am Computer gewonnenen Erkenntnisse mittels moderner Kommunikationstechnik übermitteln. Mühelos und sekundenschnell. Sei es direkt oder über einen Zeichen gebenden Komplizen im Publikum.

Anand und Kramnik halten sich für Ehrenmänner; ihr Kampf in Bonn verläuft harmonisch und fair. Ganz im Unterschied zur Skandal-WM 2006 zwischen Kramnik und dem Bulgaren Wesselin Topalow in russischen Elista, wo auf Wunsch Kramniks schon ein ähnlicher Sichtschutz wie in Bonn aufgestellt worden war. Mangels Kontroversen sorgt bei dieser WM schon für Aufsehen, wenn der von der Tour de France bekannte Radsportnarr Didi Senft ein Schach-Fahrrad vorführt oder wenn wie am Freitag Bundesfinanzminister Peer Steinbrück vorbeischaut. Als Schirmherr der WM führte Steinbrück symbolisch den ersten Zug der achten Partie aus. Vorher vergewisserte er sich noch bei Kramnik: „d2-d4?“ Der Russe nickte. Also setzte der Minister den weißen d-Bauern aufs Feld d4. Die Partie endete remis (Notationen siehe rechts), Anand führt vor der neunten Sitzung am heutigen Sonntag mit 5,5:2,5 Punkten.

Obwohl zwischen Anand und Kramnik Vertrauen herrscht, hatten sich beide Lager vor der WM gemeinsam mit dem Weltschachbund Fide auf strenge Schutzmaßnahmen verständigt. Anand sagt, allein schon die Vorstellung, dass irgendwo betrogen werden könnte, schade der eigenen Konzentration. Wie schon bei der WM 2006 werden nach jeder Partie die Ruheräume gewechselt.Vor jeder Begegnung kontrollieren Schiedsrichter die Spieler in ihren Ruheräumen mit Detektoren auf kleine Empfänger. Dopingkontrollen, wie sie in Bonn nach der fünften Partie durchgeführt worden sind, hält der Inder hingegen für „völlig sinnlos“. Tatsächlich erscheint es im Schach ratsamer, nach anderen Dingen zu suchen als nach Anabolika und Epo. „Wenn es beim Radfahren ein kleines Stück Metall gäbe, das deine Leistung um das Zwanzigfache steigert, dann würden sie auch nicht mehr auf Doping kontrollieren“, sagt Anand.

Aber der Kampf der Menschen gegen die Computer scheint noch nicht verloren: In der siebten Partie hatten beide Spieler frühzeitig Kramniks kreative Rettung vorhergesehen. Hinterher gratulierte der spanische Großmeister Miguel Illescas Anand und Kramnik euphorisch: „Ich freue mich, dass zwei große Spieler die Stellung besser beurteilt haben als jeder Computer.“

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