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Sport: Wenn der Chef die Lust verliert

Die Hannover Scorpions müssen sich aus der DEL zurückziehen, weil sie zu abhängig von ihrem Mäzen geworden waren.

Von Christian Otto

Hannover - Seine Worte klangen wie ein Geständnis und eine Grabrede zugleich. „Um in der Deutschen Eishockey-Liga zu bestehen, brauchst du einen starken Mäzen“, sagte Marco Stichnoth, als er das Aus der Hannover Scorpions bekannt gab. Der traurige Sportdirektor musste in Abwesenheit von Klubeigentümer Günter Papenburg erklären, warum die DEL-Lizenz der Scorpions noch an diesem Wochenende an den Zweitligisten Schwenninger Wild Wings verkauft wird. Es war bezeichnend, dass der Chef und Mäzen selbst keine Zeit fand, den von ihm beschlossenen Rückzug zu verkünden. Papenburg, ein millionenschwerer Bauunternehmer, war nach Jahren der Debatten und hohen Verlusten müde geworden, die defizitären Scorpions mit seinem Geld am Leben zu erhalten.

Mit den Hannover Scorpions, deren Heimspiele zuletzt nur noch von durchschnittlich 3100 zahlenden Zuschauern besucht worden waren, geht der DEL ein umstrittenes, aber auch langjähriges Mitglied verloren. Der frühere Dorfverein, der unter dem Titel Wedemark Scorpions Karriere gemacht hatte, war 17 Jahre lang in der höchsten deutschen Spielklasse vertreten und unter der Regie von Trainer Hans Zach 2010 sogar Deutscher Meister geworden. An der Problematik, dass sich professioneller Puck-Sport in Hannover mit den bisherigen Konzepten nicht refinanzieren lässt, hat der umjubelte Titelgewinn nichts ändern können. Es hat eine gewisse Komik und Tragik zugleich, dass sich die kämpferischen Scorpions 1996 als aufstrebender Dorfklub in die DEL eingeklagt hatten, weil sie unbedingt einer geschlossenen Gesellschaft auf Kufen angehören wollten. Mit dem Verkauf ihrer Lizenz, die rund 1,5 Millionen Euro wert sein soll, hat die Vereinsführung jetzt endgültig eingestanden, dass ihr Klub im problembeladenen Miteinander der Besten nicht mehr richtig aufgehoben war.

Die traurige Erfolgsgeschichte der Scorpions steckt voller struktureller Fehler. Papenburg soll in den vergangenen zehn Jahren rund 20 Millionen Euro in Verein und Mannschaft investiert haben. Trotz beachtlicher Erfolge haben es die Scorpions aber nie geschafft, ihr Image vom Retortenverein abzulegen. Sie waren ein Untermieter der Arena auf dem Messegelände, die Papenburg kurz vor der Jahrtausendwende anlässlich der Weltausstellung in Hannover für rund 70 Millionen Euro errichten ließ. Und sie waren ein Wirtschaftsfaktor mit zuletzt 35 Angestellten, der sich einfach nicht bezahlt gemacht hat. Weil sich Politik und Wirtschaft in der Region Hannover nie bereiterklären mochten, sich am Minus zu beteiligen, wusste sich Papenburg nicht mehr anders zu helfen, als immer wieder mit dem Verkauf seiner DEL-Lizenz zu drohen. Immer mehr Sponsoren verloren das Interesse.

Der allerletzte Strohhalm, der noch in Sicht war, ließ sich einfach nicht greifen. Mit den Hannover Indians, die selbst schon in der DEL am Puck waren, hatten die Scorpions einen von Tradition und Schulden geprägten Nachbarn. Der Lokalrivale mochte sich aber nicht zu einer Zusammenarbeit durchringen und hat sich im Februar als insolventer Zweitligist vom bezahlten Sport verabschiedet.

In Hannover soll es trotzdem mit Eishockey weitergehen – auch ohne Papenburgs Millionen. Die Scorpions sollen aus Sicht von Sportdirektor Stichnoth möglichst unter altem Namen einen Neuanfang in einer Amateurliga wagen. Dass Papenburg nach einer Zusage für ein weiteres Engagement jetzt doch den Daumen gesenkt hat, verursacht einen ziemlich faden Beigeschmack. Das Scheitern der Hannover Scorpions ist mit der bitteren Erkenntnis verbunden, dass ihre Abhängigkeit von Papenburg über Jahre zu groß geworden war. Christian Otto

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