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Sport: Werteverfall eines Weltmeisters

Weil Michael Schumacher hinterherfährt, gehen die Einnahmen in Hockenheim zurück

Daniela Rohs schiebt einen Flyer über den Tresen ihres Standes. Der Flyer ist rot, zwei Badelatschen, ein Sitzkissen und auch ein Rasierer sind winzig klein abgedruckt. Das kleine, bunte Papier symbolisiert den Werteverfall eines Helden. Daniela Rohs arbeitet am Michael- Schumacher-Fanshop an der Südtribüne des Hockenheimrings, und den Rasierer oder ein Sitzkissen, alle mit Schumacher-Logo, bekommt man praktisch umsonst. Den Rasierer gibt es als Zugabe, wenn man für zehn Euro Schumacher-Badelatschen kauft, die Wanduhr gehört als Dreingabe zu einer Schumacher-Baseballkappe. Schumacher, der siebenmalige Weltmeister, hat seine Dominanz eingebüßt, die Marke Schumacher verliert bei vielen Fans an Wert. „Wir haben die Preise gesenkt“, sagt Rohs. Und die gehen auch nicht nach oben, wenn Schumacher in der Formel 1 den Großen Preis von Deutschland (Sonntag, 14 Uhr, live bei RTL und Premiere) gewinnen sollte.

Auch bei Sinan Kasap, einem Fanartikel-Händler, schräg gegenüber, „wird nach Schumacher-Artikeln in diesem Jahr nicht mehr so nachgefragt“. Generell habe der Umsatz gelitten, „die Leute haben weniger Geld“, aber besonders „mit Ferrari-Artikeln hat das Geschäft nachgelassen“. Ferrari ist Schumachers Team. Dafür ist die Nachfrage nach dem Renault-Sortiment gestiegen. Für Renault fährt Fernando Alonso, der Führende in der WM-Wertung.

In den Etagen, in denen man strategisch denkt, wird der Verlust von Schumachers Dominanz eher abgeklärt gesehen. In seinem Büro in der Schweiz sitzt Alberto Friedrich und sagt: „Wir sind mit Schumacher hochzufrieden.“ Friedrich ist General Sponsorship Manager von Shell, einem der wichtigsten Geldgeber von Ferrari. Er sagt: „Ferrari hatte jahrelang gute Ergebnisse, da ist es nicht so schlimm, dass die mal nicht vorne mitfahren.“ Im Gegenteil, Friedrich sieht Schumachers Leistungsabfall durchaus gerne. „Zuletzt war er wegen seiner Dominanz kaum noch im Fernsehen zu sehen. Die Regisseure haben lieber die Duelle dahinter gezeigt.“ Nur wenn Schumacher auch die nächsten Jahre hinterherfahren würde, „hätten wir ein Problem“. Für Shell, den Treibstoff-Produzenten, sind andere Dinge entscheidend. „Wir sind vor allem ein technischer Partner. Deshalb ist es für uns wichtig, dass Ferrari möglichst selten mit Motorschaden ausfällt. Und in diesem Punkt hat das Team in den letzten Jahren eine gute Quote gehabt.“ Deshalb hat das Unternehmen im April den Vertrag bis 2010 verlängert. Seit 1997 sponsert Shell Ferrari.

Auch Joachim Lange, Geschäftsführer der Marketing-Agentur PRISM in Köln, die mehrere Formel-1-Sponsoren vertritt, reagiert gelassen. „Die Sportart insgesamt gewinnt durch die neue Entwicklung. Es gibt mehr Duelle, es wird spannender.“ Die langfristigen, globalen Sponsoren benötigen vor allem einen guten Auftritt der Sportart, und der wird durch spannende Rennen geboten. Aber für den deutschen Markt gelten besondere Gesetze. „Auf Dauer gesehen muss ein Deutscher um den WM-Titel mitfahren.“ Hartmut Tesseraux hat von einem so genannten Schumacher-Effekt noch nichts gespürt. Tesseraux leitet die Öffentlichkeitsarbeit der Hockenheim GmbH, die den Großen Preis von Deutschland veranstaltet, und er hofft auf ein Rekordergebnis. Bis jetzt läuft der Kartenverkauf besser als im vergangenen Jahr. Tesseraux hofft, dass es am Sonntag mehr als 107 000 Zuschauer werden. Der absolute Rekord für ein Formel-1-Wochenende liegt bei 270 000 Besuchern, so viele waren es im Jahr 2002. Allerdings ging ein Großteil der diesjährigen Karten schon im vergangenen Jahr oder im Frühjahr weg. „Da war Schumacher noch der große Held, keiner wusste, wie sich die WM bis Hockenheim entwickeln würde.“ Bei RTL sind in dieser Saison die Quoten nach unten gegangen. Im Schnitt verfolgen zwar immer noch 8,11 Millionen Fans in dem Privatsender die Formel-1-Rennen, aber „die Leute wollen einen deutschen Helden sehen“, sagt Andreas Hahm-Gerling, einer der Pressesprecher von RTL.

Hinter der Südkurve des Hockenheimrings hat Daniela Rohs im Michael-Schumacher-Fanshop zumindest einen Trost. Das Schumacher-Set Badelatschen und Rasierer verkauft sich gut. Das liegt an den Umständen. „Die vielen Camper brauchen die Sachen.“

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