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Lässiger Abflug. Weil die Qualifikation für die Fußball-EM blamabel verläuft, muss Löw gehen. Meint Harald Martenstein.

© picture alliance/dpa

Wie das Sportjahr wird: Nach Berti, Rudi und Jogi kommt Hansi

Joachim Löw tritt in Nordirland ab und Hertha BSC startet einen Volksentscheid – Harald Martenstein sagt das Sportjahr 2019 voraus.

Die Zukunft ist leider weitgehend unbekannt. Wieso nur weitgehend? Nun, die Sonne wird auch morgen aufgehen, das ist halbwegs sicher.

Besonders unbekannt ist die Zukunft im Sport. Fußballergebnisse sind nämlich schwerer vorherzusagen als Wahlergebnisse. Es ist möglich, dass ein unterklassiger Dorfklub den großen FC Bayern München aus dem DFB-Pokal wirft. So etwas hat es gegeben. Aber dass die „Partei bibeltreuer Christen“ bei der nächsten Bundestagswahl mehr Stimmen bekommt als die SPD, ist trotz aller Probleme der SPD tatsächlich ausgeschlossen.

Weil die Ära Merkel zu Ende geht, gilt es als zumindest wahrscheinlich, dass auch das Ende des ähnlich lange amtierenden Bundestrainers Löw bevorsteht. Heißer Tipp: es passiert 2019, denn in der Qualifikation für die nächste EM müssen Siege gegen das eisenharte Nordirland her. Jogi Löws eigener Wunschnachfolger, seine Kramp-Karrenbauer, wäre vermutlich Hansi Flick, sein langjähriger Adlatus. Warum soll auf einen Berti, einen Rudi und einen Jogi nicht ein Hansi folgen, auch wenn es das noch nie gab?

Das Gegenstück zu Friedrich Merz, dem alten Macho, mit dem niemand mehr gerechnet hatte, wäre wohl der charmante Matthias Sammer. Horst Hrubesch ist schon ziemlich alt, als denkbare Übergangslösung ist er der Wolfgang Schäuble des DFB. Wen alle gern hätten: Jürgen Klopp. Da würde im deutschen Fußball eine Hurra-Stimmung herrschen, als ob in der Politik Barack Obama Bundeskanzler wird. Klopp will aber sicher nicht weg aus Liverpool, so lange es so super läuft dort. Damit es klappt, muss Liverpool demnächst in der Champions League gegen Bayern ausscheiden und auch danach ständig verlieren. Dann kriegen wir ihn!

Ist die Bayern-Krise vorbei? Wenn sie gegen Liverpool gewinnen, dann erst mal: ja. Falls sie verlieren, könnte Uli Hoeneß so wütend sein, dass er in einer Pressekonferenz den ekstatischen Jubel von Jürgen Klopp als „unanständigen Scheißdreck“ bezeichnet. Karl-Heinz Rummenigge aber wird fordern, neben Kinderrechten auch das Bayernrecht auf respektvolle Behandlung in das Grundgesetz aufzunehmen.

Vorhersagen schreiben meist einfach die Trends der Gegenwart fort. Aber es gibt immer auch Unerwartetes. Uli Hoeneß könnte zum Beispiel 2019 bescheiden und sanftmütig werden. Dies wird geschehen, falls ihm 2019 weitere Steuerdelikte nachgewiesen werden. Hertha BSC könnte zur allgemeinen Überraschung eine bessere Rückrunde spielen, als die Vorrunde es war. Dies kommt in Berlin ähnlich selten vor wie der Gewinn einer Meisterschaft. Vielleicht darf Hertha auch endlich ein neues Stadion bauen. Neubauten werden von der Berliner Politik in der Regel abgelehnt, es sei denn, es hat vorher einen Volksentscheid gegeben, der die Bebauung eines bestimmten Grundstücks ablehnt. Das Tempelhofer Feld wollen sie deshalb unbedingt bebauen. Hertha müsste also einen Volksentscheid durchführen, der einen Stadion-Neubau ablehnt. Dann will die SPD sofort ein neues Stadion. Weil es bei sofortigem Baubeginn etwa zum 100. Geburtstag von Michael Müller fertig sein dürfte, ist immerhin klar, wie das Stadion dann heißen wird.

Steigt der 1. FC Union auf?

Auf, auf. Bis zum Aufstieg? Sebastian Polter und der 1. FC Union wollen in die Erste Liga.
Auf, auf. Bis zum Aufstieg? Sebastian Polter und der 1. FC Union wollen in die Erste Liga.

© Leon Kügeler/Reuters

Steigt der 1. FC Union auf? Wünschenswert wäre es, aber es erfordert Infrastrukturmaßnahmen. Den Verkehr am Union-Erstligastadion zu regeln und gleichzeitig den Betrieb einer S-Bahn zum Olympiastadion zu garantieren, könnte den Senat überfordern. Vernünftig wäre es, wenn Union im Falle des Aufstiegs umzieht, in den USA ziehen Vereine auch manchmal um. Einen zweiten Erstligisten nimmt München gern, mit 1860 wird das nichts mehr.

2019 wird ein Jahr ohne Fußball-EM oder Fußball-WM der Männer. Deshalb werden, das ist sicher, andere Sportarten mehr Interesse auf sich ziehen als üblich. Es gibt 2019 unglaublich viele Weltmeisterschaften, etwa im Badminton, im Schwimmen, im Judo oder im Skeleton. Leider weiß fast niemand, was Skeleton ist. Claas Relotius hat immerhin im „Spiegel“ eine Reportage über Skeleton geschrieben. Man muss zu trauriger Bluesmusik Tierskelette abnagen, für diese Geschichte gab es den Reporterpreis. In Minsk gibt es die „Europaspiele“, eine Art Bonsai-Olympia für Sportarten wie Aerobic, Beachsoccer oder Wurfscheibenschießen. Anderen beim Aerobic zuzuschauen, beruhigt bestimmt ungemein. Ob die Weißrussen, nachdem sie stundenlang Aerobic gesehen haben, hinterher weniger oder mehr Wodka trinken, ist eine der spannenden Fragen des Sportjahrs 2019.

Weltmeisterschaften gibt es auch im Rennrodeln, im Frauenfußball und im Handball, letztere findet zur Hälfte in Deutschland statt. Zumindest im Rodeln wird Deutschland eine Medaille holen, das ist etwa so sicher wie der morgige Sonnenaufgang. Rodeln ist eine der letzten deutschen Sportdomänen, aber ich weiß nicht, was im Laufe des Klimawandels daraus werden soll. Wir müssen uns rechtzeitig auf Beachsoccer umorientieren, vor allem, wenn die Erfolge im Mainstreamfußball ausbleiben.

Sicher scheint auch zu sein, dass die Fifa noch korrupter wird. Ich hoffe, dass 2019 endlich die Idee zu einer Korruptions-Weltmeisterschaft angegangen wird. Warum soll das kein Sport sein? Computerspiele werden auch allmählich als echter Sport anerkannt. Man braucht auch bei der Korruption Geschick, schnelle Reaktionen, Fitness und Ellenbogen. Fifa, Uefa, IOC und die nationalen Sportverbände könnten ihre Besten entsenden. Korruption ist zur Zeit noch ein Männersport, aber das war beim Fußball anfangs ähnlich. Man sollte Punkte für die größte erhaltene Summe, für die bizarrste mit Hilfe von Geld durchgesetzte Entscheidung, für den größten entstandenen Schaden und für die größte Wut der Fans verteilen.

Wenn Korruption am Ende vielleicht sogar olympisch wird, haben auch Länder wie Katar eine Chance, die sonst selten Gold gewinnen. Auch die Reintegration von Russland in die olympische Familie würde reibungslos vonstatten gehen. Wir hätten sogar deutsche Medaillenkandidaten, von deren namentlicher Nennung unser Hausjurist allerdings abrät.

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