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Bild vom vergangenen Jahr: Unser Kolumnist und Mama Mzansi im Jahr 2016.

© promo

Kolumne: So läuft es: Wie Mama Mzansi den Marathon in Kapstadt rettete

Erst hat sich unser Kolumnist über das Marketing des Two Oceans Marathons in Kapstadt geärgert. Doch dann versöhnte ihn Mama Mzansi.

Wenn man sich weit aus dem Fenster lehnt, sollte man wenigstens sicher sein, dass man nicht hinausfallen kann. Finde ich. Übertreibungen sind weder sportlich noch sexy. Ich habe gerade am Two Oceans Marathon in Kapstadt teilgenommen. Die Veranstalter werben für dopingfreies Laufen und rühmen sich gleichzeitig mit dem Slogan: „Der schönste Marathon der Welt.“ Ein Marketing-Doping, das der Lauf leider nicht ganz einhalten kann.

Die ersten 28 Kilometer der Strecke sind ein ganz normaler Stadtlauf. Durch die Randgebiete der Metropole zieht es sich, und die Randgebiete einer jeden Metropole sind nicht wirklich der Knall im All. Ab Kilometer 29 wird der Two Oceans Marathon zu einem Augenschmaus. Gar keine Frage. Es geht über den Chapman’s Peak, vorbei an bunten Townships, dann ein brutaler Anstieg zwischen Eagles Nest und Constantia, und zehn letzte Kilometer, die durch ein ständiges Hoch und Runter zur Psychonummer werden. Die Wahrheit ist jedoch auch, dass die eigentlich schöne zweite Hälfte des Marathons eine Qual und Gefahr für die Gesundheit sein können. Denn die Straßenverhältnisse sind eine Katastrophe. Mit Schlaglöchern, die zur üblen Falle für die Knöchel werden. Man kann nun sagen: Gut, ist halt Afrika. Sag ich halt: Nee, angeblich der schönste Marathon der Welt. Und da gibt’s dann keine Ausreden.

Und doch sollte man sich dafür entscheiden, den Two Oceans Marathon zu laufen. Denn abseits der Marketing-Macherei kann man wunderbare Geschichten erleben, die nur dort möglich sind. Und eben diese machen den Two Oceans zu einem kleinen Wunder, nicht der Lauf selbst. So schmettern zum Beispiel 11 000 Menschen vor dem Startschuss Südafrikas Nationalhymne. Ein Gänsehaut-Moment. Aus den Townships kommen Kinder gelaufen, mit gekochten Kartoffeln, die man anstatt der üblichen Powergels gereicht bekommt. Ihr Lohn ist das Abklatschen der Runner. Ich habe sie alle abgeklatscht, um ihr Lachen und ihre Freude zu sehen.

Meine Lieblingsgeschichte ist mein Besuch bei Mama Mzansi, einen Tag vor dem Lauf. Mama Mzansi kocht auf Vorbestellung in ihrem Haus, mitten im recht gefährlichen Township Langa. Dort erfährt man alles über das wahre Leben in Kapstadt. Und bekommt nicht nur das beste Essen der Stadt, sondern Liebe pur. Mama Mzansis Dank ist nicht nur das Bezahlen der Rechnung. Ich werde ihren Satz am Ende nicht vergessen: „Danke, dass ihr doch den Mut hattet, in mein Township zu kommen. Ihr habt damit geholfen, Arbeitsplätze zu schaffen. Ich darf für Euch in meinem Haus kochen, die Musiker leben davon, für Euch zu spielen, während ihr esst. Und die Jungs, die auf Eure Autos und Euer Leben achten, auch sie bezahlt ihr von dem, was Ihr fürs Essen gebt.“ Wer bei ihr isst, wer ihr zuhört, kommt als anderer Mensch zurück. Ich spüre die Wärme ihrer Umarmung noch immer. Sie gab mir Kraft. Für einen der schönsten Marathons der Welt. So läuft es.

Mike Kleiß leitet eine Kommunikations- und Markenagentur in Köln und schreibt hier an jedem Donnerstag übers Laufen.

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