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Sport: „Zu keinem Zeitpunkt Spielmanipulationen veranlasst“

Leverkusens Ex-Manager Reiner Calmund weist alle Vorwürfe zurück, muss sich aber heute der Staatsanwaltschaft stellen

Berlin - Reiner Calmund war gestern Nachmittag freundlich am Telefon, nur sagen wollte er nicht viel. Nach einigen Belanglosigkeiten verwies er auf die jüngste Erklärung seiner Anwälte Stefan Seitz und Sven Thomas. Sie teilen im Namen ihres Mandanten mit: „Herr Calmund hat zu keinem Zeitpunkt Spielmanipulationen veranlasst oder an solchen mitgewirkt. Ihm sind auch keine Spielmanipulationen im Zusammenhang mit Bayer 04 bekannt.“ „Spiegel“ und „Süddeutsche Zeitung“ hatten berichtet, dass der frühere Manager des Fußball-Bundesligisten Bayer Leverkusen gegenüber hochrangigen Bayer-Konzernvertretern angedeutet habe, dass beim Spiel der abstiegsbedrohten Bayer-Mannschaft gegen 1860 München in der Saison 2002/2003 Manipulation im Spiel gewesen sei. Laut „Süddeutscher Zeitung“ soll die Staatsanwaltschaft Köln auch Anhaltspunkte dafür haben, dass bei den Bayer-Spielen gegen Bielefeld (3:1) und Nürnberg (1:0) ebenfalls Manipulation im Spiel gewesen sein könnte. Alles falsch, lässt Calmund ausrichten.

Normalerweise ist er weniger zurückhaltend. Calmund redet ohne Punkt und Komma, auch am Freitagabend bei einer Fernsehsendung im regionalen Programm des WDR war er in seinem Redefluss kaum zu stoppen. Dort verkündete er unter anderem: „Ich habe keinen Dreck am Stecken.“ Am heutigen Montag wird er von der Kölner Staatsanwaltschaft als Beschuldigter vernommen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt, der frühere Bayer- Manager muss den Verbleib von 580 000 Euro aufklären. Nach Calmunds bisheriger Aussage habe er dieses Geld in Kaufoptionen für Spieler investiert. Dagegen sagte der Kölner Oberstaatsanwalt Günther Feld dem Tagesspiegel: „Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass das Geld ordnungsgemäß verbucht wurde. Da gibt es Angaben, die auf Spielmanipulationen hindeuten.“

Doch die Bayer-Verantwortlichen sind beim Thema vermeintlich verschobener Spiele vorsichtig. „Ich halte das für vage Behauptungen“, sagt Calmunds Nachfolger Wolfgang Holzhäuser. Er gehe eher davon aus, dass die Andeutungen auf Manipulationen ein taktisches Manöver seien. Calmund habe nur von seinen dubiosen Finanzgeschäften ablenken wollen. In einer zwölfseitigen Stellungnahme für die Kölner Staatsanwälte haben die Bayer-Verantwortlichen von den Andeutungen berichtet, die Calmund gemacht haben soll.

Manipulationen? Klaus Augenthaler war gerade vier Tage Trainer bei Bayer Leverkusen, als sein Team gegen 1860 München gewann. Drei Tore schoss Leverkusen, jedes begünstigt durch Fehler der Münchner. Doch Augenthaler ist „nur aufgefallen, dass wir 3:0 gewonnen haben“. Sonst nichts. „Ich habe mich ganz auf meine Mannschaft konzentriert“, sagt der heutige Trainer des VfL Wolfsburg. „Und bei allen drei Toren hatte der damalige Münchner Torhüter Simon Jentzsch absolut keine Abwehrchance.“ Jentzsch steht jetzt in Wolfsburg im Tor.

Angeblich könnte auch das Bayer-Spiel gegen Nürnberg manipuliert worden sein. Doch David Jarolim, der damals für Nürnberg spielte, ist „nichts Auffälliges aufgefallen. Ich bin mir zu mehr als 90 Prozent sicher, dass jeder Nürnberger Spieler sein Bestes gab.“ Der Club habe als Absteiger festgestanden, „wir wollten uns aber mit einem Sieg anständig verabschieden“. Das Vorhaben ging schief: „Wir waren in einer schlechten Verfassung“, sagt der Profi, der heute für den Hamburger SV spielt. Nürnbergs Sportdirektor Martin Bader sagte am Sonntag in „Premiere“: „Wir haben definitiv keine Hinweise von Seiten der Staatsanwaltschaft aus München oder polizeilichen Ermittlungsbehörden, dass gegen Spieler oder den Verein ermittelt wird.“

Die Kölner Ankläger haben gleich zwei erfahrene Staatsanwälte mit der Aufgabe betraut, Licht in die Angelegenheit zu bringen. Calmund seinerseits redete das ganze Wochenende mit seinen Anwälten. Bis jetzt erklärt er, der Spielervermittler Volker Graul habe dafür Optionen auf kroatische Spieler vermittelt, die Bayer am Ende aber nicht einlöste. Dafür habe Graul 580 000 Euro erhalten. Als sich die Steuerfahndung für das Geld interessierte, hat Calmund seinem Freund Graul nach eigenen Angaben auch die Steuerschuld von 300 000 Euro aus eigener Tasche beglichen, was ihn fast ruiniert hätte.

Warum er das gemacht hat, ist unklar geblieben. Aber offenbar fehlen wichtige Belege, die das Geschäft dokumentieren. Genau hier setzt die Staatsanwaltschaft an. Calmunds üblicher Redefluss könnte ihm heute bei seiner Vernehmung sogar noch schaden. „Wenn der nicht gebremst wird, reitet er sich noch tiefer rein“, sagt einer, der an den Ermittlungen gegen Calmund beteiligt ist.

Die entscheidende Frage ist jedenfalls bis heute nicht zweifelsfrei beantwortet. Wofür wurden die 580 000 Euro verwendet, die sich Calmund Juni 2003 aus der Bayer-Kasse geholt hat? Die Innenrevision des Fußballvereins hat den Manager zwischen dem 11. September 2003 und dem 10. März 2004 viermal schriftlich aufgefordert, entsprechende Belege einzureichen – ohne Erfolg. Am 26. Mai 2004 musste sich Calmund wegen dieser Summe vor dem Gesellschafterausschuss des Vereins rechtfertigen, offenbar ohne zufriedenstellendes Ergebnis. Anschließend verließ Calmund Bayer Leverkusen, der Öffentlichkeit wurde etwas über Müdigkeit nach 27 Jahren im Fußballgeschäft erzählt.

Die ganze Geschichte hat besondere Brisanz, schließlich findet in knapp drei Monaten die Weltmeisterschaft in Deutschland statt. Und da bedeutete ein neuer Fußball-Skandal einen erheblichen Imageschaden. Und weil die Ermittler inzwischen die Hinweise auf eine mögliche Manipulation sehr ernst nehmen, ist nun selbst die Landesregierung in Düsseldorf alarmiert, schließlich ist Calmund der WM-Botschafter von Nordrhein-Westfalen. Der Bericht der Kölner Staatsanwälte an das Justizministerium wird Ministerpräsident Jürgen Rüttgers wohl zu einer Entscheidung in Sachen Calmund zwingen.

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