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Kommentar: Zu lange eingespielt

Seine Vorstellung war merkwürdig flatterig, seine Ausstrahlung wenig souverän. Sven Goldmann über das Problem Jens Lehmann.

Vielleicht wäre Jens Lehmann nach einer normalen Saison als Stammkraft beim FC Arsenal immer noch der beste Torhüter Deutschlands. Arsenals Ersatztorhüter Lehmann ist es nicht. Die fehlende Spielpraxis einer ganzen Saison kann Lehmann auch durch noch so viel Ehrgeiz und Training nicht kompensieren. Seine Defizite waren nicht erst im Test am Dienstag gegen Weißrussland zu sehen. Jens Lehmann fehlen die entscheidenden vier, fünf Prozent, die einen Torhüter auf internationalem Niveau auszeichnen.

Um dieses Problem weiß Bundestrainer Joachim Löw nicht erst seit gestern, er hätte es mit der Nominierung eines anderen Torhüters nicht aus der Welt geschafft und auch nicht mit einer Verschiebung der mannschaftsinternen Hierarchie. Einen Stammtorhüter wechselt man nicht von heute auf morgen, erst recht nicht vor einem großen Turnier. Joachim Löw hat sich beizeiten auf Jens Lehmann als Nummer eins festgelegt. Die Abwehr ist auf ihn eingestimmt, auf seine Interpretation des Torwartspiels, seine Strafraumbeherrschung, seine Kommandos und Laufwege.

In bester konservativer Tradition wollte Löw bewahren, was den deutschen Erfolg bei der WM 2006 ausgemacht hatte, eine annähernd perfekte Defensive mit Lehmann im Tor und der Innenverteidigung Christoph Metzelder/Per Mertesacker. Löws Entscheidung war eine langfristige, eine wahrscheinlich zu langfristige. Aber wer hätte zu Beginn dieser EM-Saison schon damit gerechnet, dass Lehmann bei Arsenal nur Ersatz sein und auch Metzelder bei Real kaum spielen würde?

All das beschert den Deutschen zur EM eine paradoxe Situation: Sie spielen mit einer eingespielten Defensive, die nicht eingespielt ist.

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