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Brandenburg: Aus Haft entlassen: Sexualstraftäter missbrauchte Jungen

Staatsanwalt hatte Sicherheitsverwahrung gefordert Gutachter hielten 36-Jährigen aber für ungefährlich

Berlin/Bernau - Jens A. leugnete es nicht. Als der 36-Jährige vor dem Haftrichter stand, gab der Sexualstraftäter zu, dass er sich erneut an zwei Jugendlichen vergriffen hatte. Jetzt sitzt Jens A. wieder im Gefängnis – nur dreieinhalb Wochen, nachdem er auf gutachterliche Empfehlung aus der Justizvollzugsanstalt Tegel entlassen worden war.

Die einen sprechen von einem Skandal, die anderen von menschlichem Versagen. „Dieser Fall offenbart erhebliche Mängel in der Berliner Justiz“, sagt der CDU-Abgeordnete Andreas Gram. Er fordert, die bisherige Gutachtenpraxis generell zu überprüfen. Es könne nicht angehen, dass ein verurteilter Sexualstraftäter trotz erheblicher Bedenken von Polizei und Justiz auf freien Fuß komme, weil „medizinische Gutachter hier das letzte Wort haben“.

Wie berichtet, hatte die Berliner Staatsanwaltschaft für Jens A. die nachträgliche Sicherheitsverwahrung gefordert. Jens A. hatte 1994 mit seinem damaligen Freund den achtjährigen Daniel B. aus Prenzlauer Berg von einem Spielplatz entführt und missbraucht. Nach der Tat tötete der Lebensgefährte das Kind, seine Leiche warfen die Männer auf eine Brandenburger Müllkippe. Das Landgericht verurteilte Jens A. 1998 zu sieben Jahren und drei Monaten Haft. Vor drei Wochen lief die Strafe ab.

Auch die Mutter des getöteten Jungen hatte für eine weitere Inhaftierung gekämpft, nachdem ihr Jens A. im Jahr 2000 in Briefen verdeckt gedroht hatte, dass er „irgendwann entlassen“ werde. Zwei Gutachten aber beendeten alle Bemühungen für eine Haft nach der Haft, Anfang Februar nahm die Staatsanwaltschaft ihren Antrag zurück. Der Verurteilte sei nach Ansicht der medizinischen Sachverständigen derzeit nicht gefährlich für die Allgemeinheit, hieß es zur Begründung. Auch der bei A. festgestellte zeitweilige Therapieunwillen deute laut Gutachten nicht auf eine solche Gefährlichkeit hin. Für eine nachträgliche Sicherheitsverwahrung verlangt der Bundesgerichtshof aber, dass während der Haft „erhebliche“ neue Anhaltspunkte für einen möglichen Rückfall aufgetreten sein müssen.

Am 21. Februar marschierte Jens A. also ohne Auflagen in die Freiheit. Meldepflichten oder Therapiestunden kann die Justiz in der Regel nur verordnen, wenn sie einen Straftäter vorzeitig oder auf Bewährung entlässt. Jens A. aber hatte seine Strafe voll verbüßt. Der 36-Jährige zog nach Bernau und kam in der Wohnung eines Freundes – ebenfalls ein verurteilter Sexualstraftäter – unter. Hier soll sich Jens A. dann auch an den beiden jugendlichen Opfern vergangen haben, nachdem er sie mit K.o.-Tropfen und Alkohol wehrlos gemacht hatte. Weitere Einzelheiten über den Hergang der beiden Taten und die Opfer gibt die Staatsanwaltschaft in Frankfurt (Oder) nicht bekannt. Nur so viel: „Wir ermitteln noch in einem dritten Fall von Missbrauch“, sagt Justizsprecher Michael Neff.

Dass sich Jens A. in Bernau nicht noch an weiteren Jugendlichen vergreifen konnte, ist offenbar einem Spezialdezernat des Berliner Landeskriminalamtes zu verdanken. Die Ermittler vom „LKA Prävention“ hatten den 36-Jährigen wenige Tage nach seiner Entlassung in Bernau aufgespürt und fortan beobachtet. „Vom Landeskriminalamt Berlin haben wir dann die ersten Hinweise bekommen“, sagt Justizsprecher Neff.

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