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Babyleiche: Ungewollt, ungeliebt, getötet

Plüschtiere säumen den Eingang des Hauses, in dem der kleine Florian, wie am Freitag bekannt wurde, verhungern musste. Aber damit nicht genug: In Brandenburg wurde erneut die Leiche eines Babys gefunden. Es ist der dritte Fall in zehn Tagen.

Von Sandra Dassler

Schon wieder wurde in Brandenburg ein toter Säugling entdeckt: Zehn Tage nach dem Fund einer Babyleiche in Nauen und nur einen Tag, nachdem bekannt wurde, dass der sechs Monate alte Florian in Frankfurt (Oder) verhungern musste, kam die traurige Nachricht diesmal aus der Spreewaldstadt Lübben. Ein Notarzt hatte gestern Vormittag die Polizei darüber informiert, dass er in einer Wohnung in der Hartmannsdorfer Straße eine junge Frau angetroffen habe, die offensichtlich vor ein, zwei Tagen entbunden hatte. Das Neugeborene, ein Mädchen, war tot.

Die Hartmannsdorfer Straße liegt idyllisch am Ortsrand von Lübben: Hinter hübsch sanierten fünfgeschossigen Wohnblocks aus den 60er Jahren beginnen schmucke Kleingartenanlagen, denen sich Spreewaldfließe und Kiefernwälder anschließen. Hier wohnt die 22-Jährige, die nach ersten Erkenntnissen der Ermittler offenbar ihre Schwangerschaft verheimlicht hatte. Ein Verwandter besuchte sie gestern und rief den Notarzt.

Wenig später trafen die Kollegen der Mordkommission sowie die Kriminaltechniker des Polizeipräsidiums Frankfurt in der Wohnung ein. Das Baby wird zur Feststellung der Todesursache obduziert. Weitere Aussagen wollte ein Polizeisprecher aus ermittlungstaktischen Gründen nicht machen. Die Frau kam in stationäre Behandlung in eine Lübbener Klinik, wo sie auch psychiatrisch betreut wird. Vernommen werden konnte sie daher trotz eingeleiteter Ermittlungen nicht.

Die 19-jährige Mutter des in Frankfurt verhungerten Florian hat unterdessen zugegeben, dass sie den Jungen „nicht ausreichend mit Essen versorgt hat“, wie ein Sprecher der Staatsanwaltschaft sagte. Die Obduktion habe ergeben, dass der sechs Monate alte Junge bei seinem Tod weniger gewogen habe als bei der Geburt. Wie berichtet hatte der 22-jährige Vater von Florian das Kind in der Nacht zu Mittwoch leblos in seinem Bett entdeckt.

Eine Woche zuvor war im westlich von Berlin gelegenen Nauen eine Babyleiche gefunden worden. Wenig später nahm die Polizei eine 22-jährige Frau fest. Sie gestand, den Jungen nach seiner Geburt in eine Plastiktüte gepackt und in einen Schrank gelegt zu haben. Erst als das Kind kein Lebenszeichen mehr von sich gab, habe sie es herausgeholt und versteckt.

Bei allen Fällen handelte es sich um relativ junge Mütter, die ihre Kinder entweder nicht wollten oder mit ihnen überfordert waren, sagte gestern der Oberbürgermeister von Frankfurt, Martin Patzelt. „Das bestärkt mich in meiner Auffassung, dass wir uns diesen jungen Frauen viel mehr zuwenden müssen als bisher.“

Der CDU-Politiker hatte im vergangenen Jahr seinen 60. Geburtstag gefeiert und die Gäste gebeten, statt ihn zu beschenken Geld für ein Mütterbegegnungszentrum in Frankfurt zu spenden. „Ich hoffe sehr, dass wir das Zentrum noch in diesem Jahr eröffnen können“, sagte Patzelt, der sich außerdem für ein kommunales Elterngeld starkmacht. „Das würde zusätzlich zum staatlichen Elterngeld nur gezahlt, wenn die vorgeschriebenen Arztbesuche mit den Kindern nachgewiesen werden“, erklärt er. Rechtlich sei das nach Ansicht von Experten möglich, allerdings benötige man in Frankfurt dafür rund 100 000 Euro pro Jahr. „Das wird bei einer jährlichen Neuverschuldung von gut 20 Millionen Euro schwierig“, sagte Patzelt.

Der Vorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, Wolfgang Bauch, forderte, Sozialleistungen generell an das Kindeswohl zu koppeln.

Dem gestern gefundenen Baby in Lübben hätte das wahrscheinlich auch nicht das Leben gerettet. Seine Mutter befand sich offenbar in einer für sie so auswegslosen Lage, dass sie – so erzählte man sich gestern in der Hartmannsdorfer Straße – angeblich erst ihr Kind sterben ließ und dann versuchte, sich selbst zu töten.

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