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Auch die Aufarbeitung der möglichen Stasi-Verstrickungen von Manfred Stolpe werden in dem Experten-Gutachten kritisiert.

© dpa

Brandenburg: Gutachten: Defizite bei Stasi-Überprüfung

Enquete-Kommission des Landtags setzt sich mit Gutachten zur Stasi-Aufarbeitung in Brandenburg auseinander. Die Ergebnisse sorgen seit Wochen für heftige Kontroversen.

In Brandenburg hat es aus Expertensicht nach der Wende erhebliche Defizite bei der Stasi-Überprüfung von Regierung und Parlament gegeben. Zu diesem Ergebnis kommen die beiden Fachleute Gisela Rüdiger und Hanns-Christian Catenhusen in einem Gutachten für die Enquete-Kommission des Landtags zur Aufarbeitung der Nachwendezeit.

Das Gremium setzte sich am Freitag mit dem fast 130 Seiten umfassenden Werk auseinander. Das Papier hatte bereits vor der Sitzung der Kommission hohe Wellen geschlagen. SPD-Fraktionschef Ralf Holzschuher hatte das Gutachten als „plattesten politischen Meinungskampf“ kritisiert. Auch Linksfraktionschefin Kerstin Kaiser hatte von einer eher moralischen als wissenschaftlichen Bewertung gesprochen.

Der Landtag hatte Anfang der 90er Jahre eine Kirchenkommission mit der Stasi-Überprüfung der Abgeordneten beauftragt. Die Prüfpraxis wurde nun für die Enquete-Kommission neu bewertet. Die Gutachter kommen zu dem Schluss, dass die Einordnung von zwölf Abgeordneten als Grenzfälle nicht den Vorgaben für die Stasi-Überprüfung entsprochen habe. Bei Grenzfällen war damals keine Empfehlung zur Mandatsniederlegung ausgesprochen worden.

Vietze und Stolpe nicht im Abschlussbericht

Zudem kritisieren die Gutachter, dass der ehemalige PDS-Abgeordnete Heinz Vietze als ehemaliger 1. Sekretär der SED-Bezirksleitung Potsdam und trotz seiner Stasi-Kontakte nicht einmal im Abschlussbericht der Kirchenkommission zur Stasi-Überprüfung erwähnt worden sei. Dass Vietze 19 Jahre im Brandenburger Parlament saß - die meiste Zeit sogar in herausgehobener Position als parlamentarischer Geschäftsführer der PDS-Fraktion - spreche für die "unzureichende Selbstreinigung des Parlaments".

Auch der damalige Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) tauche in dem Abschlussbericht der Kirchenleute nicht auf. Nach Auffassung der Gutachter hätte auch Stolpe wegen seiner Stasi-Kontakte in der DDR sein 1990 errungenes Landtagsmandat niederlegen müssen. Seine innere Überzeugung, im Dienste der Kirche gearbeitet zu haben, sei nach den Kriterien der Stasi-Überprüfungen nicht relevant.

Keine Stasi-Überprüfungen seit 1994

Die Experten betonen, im Vergleich zu anderen ostdeutschen Ländern habe der Brandenburger Landtag besonders wenig zur Aufdeckung des Stasi-Verstrickungen von Abgeordneten getan. Als einziges Land habe Brandenburg zudem nach der ersten Legislaturperiode auf weitere Stasi-Überprüfungen verzichtet. Erst das aktuelle Parlament habe wieder eine Stasi-Abfrage beschlossen. Das werde dazu beitragen, wieder Vertrauen in das Parlament herzustellen.

Außerdem bemängeln die Experten, dass es in der Landesverwaltung seit 1990 kein zentral geregeltes Überprüfungsverfahren gegeben habe. Es habe nie eine Regelanfrage bei der Stasi-Unterlagenbehörde gegeben. Nur höchstens die Hälfte der Mitarbeiter des Landes sei überprüft worden. Besonders fragwürdig sei, dass es in der Staatskanzlei als Regierungszentrale nie eine umfassende Abfrage gegeben habe.

Andere Ressorts wie das Innen- und das Justizministerium hätten zwar alle Mitarbeiter überprüft, jedoch sei letztlich zu milde mit bekannt gewordenen Stasi-Fällen umgegangen worden. Während das Bildungsministerium fast 47 Prozent der stasibelasteten Mitarbeiter entlassen habe, seien es im Justizministerium nur knapp 23 Prozent gewesen. Insgesamt seien 6,6 Prozent der Mitarbeiter der Landesverwaltung stasibelastet gewesen. Davon seien 34 Prozent entlassen worden. Sachsen und Berlin hätten die Hälfte aller stasibelasteten Mitarbeiter entlassen. (dapd)

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