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Brandenburg: Brandenburger haben mehr Angst vor Reformen als alle anderen Eine Allensbach-Umfrage ergab: Nur 11,3 Prozent der Einwohner

stehen den von der Bundesregierung geplanten Veränderungen positiv gegenüber

Von Michael Mara

und Thorsten Metzner

Potsdam. Die Brandenburger sind die reformunwilligsten Deutschen. Nur 11,3 Prozent der Einwohner stehen den geplanten Reformen der Bundesregierung wohlwollend gegenüber. Das ist der letzte Platz im Vergleich der deutschen Länder. Dagegen sind in Niedersachsen und Schleswig-Holstein 35 beziehungsweise 32 Prozent der Bevölkerung aufgeschlossen für die Reformen. Das ermittelte das Institut für Demoskopie Allensbach in der bislang umfassendsten Studie über die Reformbereitschaft der Deutschen. Die Umfrage wurde von der „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ und dem Wirtschaftsmagazin „Impulse“ in Auftrag gegeben.

Rund 60 Prozent der Brandenburger verlangen demzufolge, dass es keine Abstriche an sozialen Errungenschaften und Leistungen, ebenso wenig an den Löhnen geben dürfe. Nur 24,5 Prozent akzeptieren, dass man in der gegenwärtigen Krise auch zu Opfern bereit sein muss. In Schleswig-Holstein würden dagegen mit rund 50 Prozent doppelt so viele Menschen Einschnitte akzeptieren.

Bei 76,6 Prozent der Brandenburger lösen die in den kommenden Jahren zu erwartenden Reformen Befürchtungen und Skepsis aus. Andererseits verbinden nur 12,3 Prozent von ihnen die Reformpläne mit Hoffnungen. Das ist der mit Abstand schlechteste Wert im Vergleich aller deutschen Länder. In Sachsen erwarten immerhin 23,1 Prozent von den Reformen Positives.

Keine Aussage trifft Allensbach zu der Frage, warum ausgerechnet die Brandenburger die reformunwilligsten Deutschen sind. Deutlich wird aber, dass die Abneigung gegenüber den geplanten Veränderungen hier noch stärker ausgeprägt ist als im übrigen Ostdeutschland. So zeigen sich in Thüringen nur 13,6 Prozent der Menschen reformwillig, in Sachsen 15,5, in Mecklenburg-Vorpommern 16,6 und in Sachsen-Anhalt 17,1 Prozent. Die Ostdeutschen, so befinden die Meinungsforscher, setzten auch 13 Jahre nach der Einheit noch viel stärker auf die staatliche Fürsorge als die Bewohner der westdeutschen Bundesländer. Und 50 Prozent der westdeutschen, aber nur 29 Prozent der ostdeutschen Bevölkerung sind der Auffassung, dass die jetzige Krisensituation es erfordert, Abstriche zu machen und Kürzungen bei den Sozialleistungen vorzunehmen.

Diese Ergebnisse verschärfen vor allem für die Brandenburger SPD ein strategisches Problem. Im Oktober finden im Land Kommunalwahlen statt, und SPD-Chef und Ministerpräsident Matthias Platzeck weiß, dass bei der Wahlentscheidung die aktuellen Bundesthemen, also die Reformen, „die entscheidende Rolle“ spielen würden, wie er dem Tagesspiegel sagte. „Brandenburg liegt auf keinem anderen Stern.“ Dennoch setzt Platzeck darauf, die Notwendigkeit der Reformen vermitteln zu können – wobei ihn die Umfrage nicht eben zuversichtlicher stimmen wird.

Ohnehin ist die Stimmung in Brandenburg gegenwärtig „so schlecht wie nie“, wie Politiker aller Parteien einhellig feststellen. Die wirtschaftlichen Sorgen der Menschen (siehe unten) dürften die ausgeprägte Abneigung gegen Reformen und Leistungskürzungen zum Teil erklären.

Dessen ungeachtet bekräftigte SPD-Landesgeschäftsführer Klaus Ness gestern die Linie seiner Partei. Da allerdings viele Umbrüche der Vergangenheit keine Verbesserungen gebracht hätten, müssten alle Reformen nun umso genauer begründet werden.

Der CDU-Landeschef und Innenminister Jörg Schönbohm kommentierte die Umfrage so: Die Reformunwilligkeit der Ostdeutschen insgesamt habe mit den erlebten Umbrüchen und den teils schlechten Erfahrungen damit zu tun. Die Leute seien „außer Atem“. Dass aber Brandenburg bei der Reformwilligkeit das Schlusslicht bilde, sei „Ausdruck der Staatsfürsorge nach der Wende, die sich in Regine Hildebrandt und Manfred Stolpe personifizierte“. Nicht ohne Grund habe Brandenburg lange Zeit als „kleine DDR“ gegolten.

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