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Brandenburg: Castor-Transport: Aussteigen lassen

Vier Stunden soll der Castor-Transport von Rheinsberg bis zur Landesgrenze nach Mecklenburg-Vorpommern dauern. Sollte er länger brauchen, dann wird es vermutlich nicht nur an Innenminister Jörg Schönbohm gelegen haben.

Vier Stunden soll der Castor-Transport von Rheinsberg bis zur Landesgrenze nach Mecklenburg-Vorpommern dauern. Sollte er länger brauchen, dann wird es vermutlich nicht nur an Innenminister Jörg Schönbohm gelegen haben. Aber auch. Denn der Ex-General erklärt seit Wochen, wie hart er gegen Störer vorgehen wolle und lockt damit manche erst an die Strecke.

Ein 23-Millionen-Mark-Einsatz wie in Gorleben ist zwar unwahrscheinlich, aber billig will die militante Fraktion der Anti-Atom-Bewegung das Land möglichst nicht davonkommen lassen. Ihr professioneller Protest dient ohnehin dem Ziel, dem Staat eine saftige Rechnung und dem Volk spannende Fernsehbilder zu liefern. Von Atomkraftgegnern, die friedlich hinter bemalten Bettlaken durch verschlafene Dörfer marschieren, lässt sich niemand beeindrucken. Und Schönbohm schon gar nicht.

Wenn die Kernkraftgegner - die Ehrlichen wie die Scheinheiligen - versuchen wollen, den Staat mit Gleisblockaden herauszufordern, dann mag das angesichts der symbolträchtigen Erfolge von Gorleben, wo der Castor-Zug zwischenzeitlich umkehren musste, erklärbar sein. Aber Brandenburg ist nicht das Wendland und Rheinsberg ist völlig anders als Gorleben. In Niedersachsen befürchten die Menschen, einen Müllplatz mit unkalkulierbaren Risiken vor die Tür beziehungsweise unter ihr Gemüsebeet gesetzt zu bekommen. In Brandenburg sind die Menschen froh, dass sie den strahlenden Abfall loswerden.

Und die Zukunft der vielen Arbeitskräfte, die mit der Stilllegung von Rheinsberg überflüssig geworden sind, interessiert die Anwohner oft mehr als das Risiko, das jetzt noch vom Kraftwerk ausgeht. "Wir haben Jahrzehnte damit gelebt, und es hat uns nie gestört", sagen viele. Diese Einstellung mag gestandenen 68ern Schauer über den Rücken jagen. Aber den Brandenburgern graust eher vor dem Gedanken, dass ihnen von weither Zugereiste Randale ins Dorf bringen könnten. Insofern dürfen Protestierer, denen die Anwohner in Gorleben heißen Tee gebracht haben, in Brandenburg noch nicht einmal auf einen Schluck Wasser hoffen. Den bekommen eher die Beamten, die den Anwohnern durch ihre massenhafte Präsenz die Sorge nehmen, dass der Transport doch noch gefährlich werden könnte, weil jemand am Gleis manipuliert hat.

So kann auch Brandenburgs Zwei-Prozent-Partei, die Bündnisgrünen, voraussichtlich nicht ihren Splittergruppen-Status aufbrechen, wenn sich lokale Parteigrößen weiter zu Gleisblockaden bekennen. Aus Rheinsberger Sicht kämpfen sie so gegen die Müllabfuhr, damit diese die stinkende Tonne vor ihrem Gartenzaun nicht leert. Die Indianer in der Provinz rebellieren gegen das, was ihre Häuptlinge in Berlin mühsam ausgehandelt haben. Fundamentalopposition ohne das Angebot einer Alternative hilft aber wenig.

Die Demonstranten sollten sich für die Sicherheit des Zwischenlagers im vorpommerschen Lubmin einsetzen. Dort landet der Müll nämlich. Und dort liegt das Problem vom Tag X an. Den Castor dagegen in Rheinsberg zu stoppen, wo der Atomausstieg gerade praktiziert wird, ist taktisch unklug. Wer Ausstieg fordert, muss auch aussteigen lassen.

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