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Brandenburg: Der Muntermacher

Matthias Platzeck ist ein Jahr im Amt – noch ohne großen Erfolg, aber mit einem neuen Politikstil

Von Michael Mara

und Thorsten Metzner

Brandenburgs Probleme werden immer größer, kaum eine Woche vergeht ohne neue Hiobsbotschaften. Die Lust am Regieren hat Matthias Platzeck, eine Frohnatur, trotzdem nicht verloren. „Es reizt mich, das anzupacken“, sagt der 49-jährige SPD-Politiker. Vor einem Jahr gab Manfred Stolpe das Zepter überraschend an seinen langjährigen „Kronprinzen“ ab. „Er wusste warum“, heißt es in Platzecks Umfeld: Die Stagnation, die Krise, der Kollaps der Staatsfinanzen war abzusehen. Das Scheitern weiterer Großprojekte wie der Cargo-Lifter war programmiert. Ein Krisenkonzept hatte Stolpe, der Seelentröster, nicht.

Ist Platzeck der Retter in der Not? An diese Rolle hat er sich zwar gewöhnt: Als „Deichgraf“ beim Oderhochwasser 1997, dann als Oberbürgermeister in der einstigen „Jammerhauptstadt“ Potsdam, die er aus ihrem Image- und Stimmungstief holte. Aber dass es „im Ländchen“ so dicke kommen würde, hatte er nicht erwartet, als er Stolpes Thron bestieg: Eine Unternehmenspleite jagt die andere, die Depression greift um sich.

Bei seinen vielen Reisen im Land werde er fast nur mit Problemen konfrontiert, gesteht der Regierungschef. Schnelle Lösungen hat auch er nicht parat hat, er sieht sich als Mutmacher. Platzeck macht seinen Bürgern nichts vor, er erspart auch bittere Botschaften nicht: „In der Vergangenheit wurde zu viel übertüncht.“ Das Land habe in den letzten 13 Jahren über seine Verhältnisse gelebt.

Im Unterschied zu seinem Ziehvater verspricht Platzeck keine blühenden Landschaften, keine Hilfe des Staates, wo sie nicht gegeben werden kann. „Mehr Selbertun.“ In diesem Punkt ist er seinem CDU-Stellvertreter Jörg Schönbohm geistesverwandt. Bei Platzecks Besuchen im Land fällt auf, wie schnell der Regierungschef auf den Punkt kommt: „Das geht. Das geht nicht“. Einer seiner Begleiter aus der Staatskanzlei: „Bei Stolpe wurde stundenlang geredet, getröstet, aber es gab keine klaren Ergebnisse.“

Die vielleicht härteste Entscheidung, die mancher von Platzecks eigenen Genossen ihm nicht zugetraut hätte: Er drehte den Geldhahn für Stolpes Prestige-Standort Premnitz zu, der seit 1990 rund eine halbe Milliarde Euro Staatsmittel verschlungen hat, aber trotzdem nicht gesundete.

Die vor einem Jahr von vielen gestellte Frage, ob er sich gegenüber dem selbstbewussten und reformfreudigen Jörg Schönbohm würde behaupten können, ist längst beantwortet. Platzeck ließ seine Genossen mit der rot-roten Karte drohen, als Schönbohm und die CDU in der Koalition zu sehr auftrumpften und sich in den Vordergrund spielten: „Er hat schnell geklärt, wer der Koch und wer der Kellner ist“, sagt SPD-Landesgeschäftsführer Klaus Ness, einer von Platzecks engsten Vertrauten.

Dass ein neuer Wind weht, zeigte auch eine Personalentscheidung, die es unter Stolpe nie gegeben hätte. Als die Union für den zurückgetretenen Justizminister Kurt Schelter die dynamische junge Landtagsabgeordnete Barbara Richstein als Nachfolgerin präsentierte, nutzte Platzeck die Gelegenheit: Er wechselte kurzerhand den glücklosen SPD-Sozialminister Alwin Ziel gegen den jungen und zupackenden Ex-Sozialbeigeordneten Günter Baaske aus – ein Signal der Erneuerung, aber auch eine Warnung an andere SPD-Minister.

So gibt es nach einem Jahr erstaunlich wenig Kritik am neuen Regierungschef. Er setze zu sehr auf Psychologie, könnte stärker führen, müsste mehr strategisch vorausdenken, krittelt man in Schönbohms Umfeld. Manche SPD-Genossen vermissen „schnelle Erfolge“. Tatsächlich ist die Schuldenspirale bisher nicht durchbrochen. Entgegen ursprünglichen Plänen nimmt das hochverschuldete Land in diesem Jahr erneut 1,3 Milliarden Euro Kredit auf, im nächsten Jahr soll es mindestens wieder eine Milliarde sein. Platzeck hält dagegen, dass ein Sparprogramm verabschiedet worden sei, das es in der Geschichte des Landes noch nicht gegeben habe. Außerdem habe er begonnen, die Behördenbürokratie abzubauen und den Förderdschungel zu lichten. Der Regierungschef versucht, die Brandenburger auf die kommenden schwierigen Zeiten einzustimmen: „Schnelle Erfolge gibt es heute nicht mehr. Die Rosskur hat erst begonnen.“

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