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Brandenburg: Die Anklage lautet auf Mord

Neun tote Babys: Staatsanwälte werfen der Mutter vor, die Kinder absichtlich ums Leben gebracht zu haben

Frankfurt(Oder) - Im Fall der neun toten Babys aus Brieskow-Finkenheerd hat die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) nun Anklage gegen die 40-jährige Mutter Sabine H. erhoben. Dies bestätigte der Sprecher der Behörde, Ulrich Scherding, gestern.

Achtfacher Mord und in einem Fall Kindstötung werden Sabine H. vorgeworfen. Die Akten sind derzeit auf dem Weg zum Frankfurter Landgericht. Die 2. Strafkammer unter dem Vorsitz von Matthias Fuchs wird über die Eröffnung des Hauptverfahrens entscheiden. Wann ein möglicher Prozess beginnt, vermochte Scherding gestern nicht zu sagen.

Seit dem 1. August sitzt Sabine H. in Untersuchungshaft in Duben. Fristgemäß muss in den nächsten Tagen über die Fortdauer der U-Haft entschieden werden. Sabine H. war inhaftiert worden wegen des Vorwurfs, neun ihrer Kinder zwischen 1988 und 1999 zur Welt gebracht und sofort danach getötet zu haben. Die skelettierten Leichen der neun Babys sind am 31. Juli auf dem Grundstück der Mutter von Sabine H. in Brieskow-Finkenheerd gefunden worden: Verscharrt in Blumenkästen und in einem alten, mit Sand gefüllten Aquarium.

Da das erste Baby noch zu DDR-Zeiten ums Leben kam, werde in diesem Fall auch DDR-Recht angewendet. „Es wird sich immer auf das Gesetz berufen, dass zur Tatzeit galt“, erklärte Scherding. Hier war es der Straftatbestand der Kindstötung, den es heute in Deutschland nicht mehr gibt. Kindstötung galt als „besonderer Fall des Totschlags“, erklärte Scherding. Das heißt, man ging davon aus, dass eine Mutter sich kurz nach der Entbindung in einer speziellen Situation befindet. Auf die körperlichen und seelischen Belastungen nach der Geburt war dieser Paragraf abgestimmt, so dass eine mildere Bestrafung erfolgt.

In den acht weiteren Fällen versucht die Staatsanwaltschaft nachzuweisen, dass es sich um so genannte Verdeckungsmorde handelt. Demnach soll Sabine H. die Babys getötet haben, weil sie das erste Verbrechen vertuschen wollte. „Bei einer gynäkologischen Nachsorgeuntersuchung wäre möglicherweise herausgekommen, dass sie kurze Zeit vorher schon ein Baby zur Welt gebracht hatte“, erklärte Scherding. Die Angeklagte hatte in ihrer Vernehmung, kurz nachdem sie inhaftiert worden war, zugegeben, die Babys ohne fremde Hilfe zur Welt gebracht zu haben. Lediglich an die ersten beiden Geburten konnte sich die Frau noch erinnern.

Sie hatte berichtet, dass das erste der neun Kinder 1988 als Sturzgeburt auf einer Toilette zur Welt gekommen war. Das zweite habe sie während einer Fortbildung in Goslar geboren und auf den Rücksitz ihres Autos nach Frankfurt mitgebracht. Wo und wie es gestorben sei – dazu gibt es keinen Kommentar. Nach eigenen Angaben hatte sie sich stets bei Einsetzen der Wehen bis zur Besinnungslosigkeit betrunken. Als sie wieder zu sich kam, waren die Leichen der Babys bereits verscharrt. Ihr Ex-Mann Oliver H. und die drei erwachsenen Kinder wollen von den vielen Schwangerschaften nie etwas mitbekommen haben. Oliver H. hatte nach der Geburt des dritten gemeinsamen Kindes offenbar damit gedroht, ihr Gewalt anzutun, wenn sie nochmals schwanger werde.

Im gerichtsmedizinischen Gutachten konnte die Todesursache der neun Kinder nicht genau geklärt werden, weil die Knochen zu stark verwest waren. So kann, wie Rechtsexperten sich äußerten, auch nicht ausgeschlossen werden, dass es Totgeburten waren. Die Mediziner fanden lediglich heraus, dass es sich um sieben Mädchen und zwei Jungen handelte. Und dass Sabine H. und ihr früherer Ehemann die Eltern der Kinder waren. Der Sprecher der Staatsanwaltschaft äußerte sich zur Beweislage gestern nicht. Bei einer Verurteilung muss die Angeklagte mit lebenslanger Haft rechnen. Es werde von einer besonders schweren Schuld ausgegangen. Dass Sabine H. bei allen Taten betrunken gewesen sein soll, spiele für die Beweislage laut Scherding keine Rolle.

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