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Brandenburg: Die Aussteiger von Rhinow: "Wir passen nicht in den Rahmen"

Nach mehreren Kilometern Fahrt über einen alten Betonplattenweg einer früheren LPG tauchen am Rande plötzlich Briefkästen auf. Es sind keine professionellen Typen aus dem Baumarkt, sondern selbst zusammengezimmerte Kästen.

Nach mehreren Kilometern Fahrt über einen alten Betonplattenweg einer früheren LPG tauchen am Rande plötzlich Briefkästen auf. Es sind keine professionellen Typen aus dem Baumarkt, sondern selbst zusammengezimmerte Kästen. An den Klappen stehen Namen. Die eingeschlagene Richtung in das nördliche Umland des Städtchens Rhinow im Westhavelland scheint also zu stimmen, obwohl weit und breit kein Haus zu sehen ist. Doch irgendwo müssen sie wohnen "die Sonderbaren", die "Aussteiger", die "Indianer" oder wie die abseits lebende Gruppe sonst noch von den Menschen in der Stadt bezeichnet wird. Viele Legenden werden über sie erzählt. Immer wieder heißt es, die "Indianer im Wald leben ohne Strom und Kanalisation und sowieso außerhalb vieler Gesetze". In den vergangenen Tagen machten Gerüchte vom baldigen unfreiwilligen Ende der selbstgewählten Isolation die Runde.

Einige Kilometer hinter den Briefkästen tauchen im Wald tatsächlich Holzhütten, Bauwagen und an Indianer erinnernde Zelte auf. "Herzlich willkommen auf dem Floringshof", sagt ein junger Mann mit langen blonden Zöpfen. Peter Reibsch ist Pressesprecher der "Lebens- und Nutzergemeinschaft" aus 19 Erwachsenen und 14 Kindern. "Wir haben hier keinen Fernseher und sonstige Dinge zum Ablenken", erklärt er die vergleichsweise hohe Kinderzahl.

Das Blockhaus mutet auf den ersten Blick wie die Hütte von Robinson Crusoe an - Zwiebelzöpfe, Körbe voller Obst, Gemüse und Kartoffeln, Hühner direkt vor dem Fenster, rechts und links Holzstapel. Die Tür öffnet sich zu einem einzigen Raum. Vier Menschen leben hier. In der Mitte steht ein einfacher Ofen. Auf dem Tisch stehen mehrere Kerzen. "Wir haben uns vor neun Jahren bewusst für dieses einfache Leben entschieden. Es macht uns Spaß, denn weniger ist oft mehr", sagt Peter Reibsch. Die Gruppe will sich in ihrem "Paradies"; zum größten Teil selbst versorgen, jeder besitzt Tiere. Für Dinge des Alltags - Batterien, Kaffee oder Benzin für die Autos zum Transport der Kinder in die Schule - gehen einige einer Teilzeitarbeit nach oder verkaufen eigene Kunstgegenstände. Niemand beziehe Sozialhilfe. Der Pressesprecher hilft einmal in der Woche einem Bauern. Trinkwasser holen sich die Bewohner in Kannen aus einem 30 Meter tiefen Brunnen. Eine Klärgrube gibt es jedoch noch nicht.

"Die würden wir bauen, wenn wir nur Sicherheiten hätten", erklärt Reibsch. Eine Schilfkläranlage sei bereits geplant. Aber die Untere Bauaufsichtsbehörde des Landkreises Havelland habe die Räumung des Floringshofes innerhalb der nächsten zehn Monate angeordnet. Das Gelände liege außerhalb des Siedlungsgebietes; das Grundwasser sei gefährdet. Außerdem brauchten die Kleinkinder den Schutz der Allgemeinheit, sie könnten sich nicht gegen die Lebensweise wehren. So formulierten es die Angestellten der Kreisverwaltung. In ihrer Not haben sich die Bewohner nun an Ministerpräsident Manfred Stolpe mit der Bitte gewandt, die einzigartige Alternative zu unterstützen.

"Die Behörden außerhalb von Rhinow wissen gar nicht, wie wir leben", kritisiert Bewohner Thomas Launhardt. "Wir passen nicht in den Rahmen von Gesetzen und Verordnungen und sollen deshalb verschwinden." Die Behörden glaubten wohl an die Legende, dass alle Bewohner mit Pfeil und Bogen herumlaufen würden. Gleichwohl gebe es Wurzeln in der Indianerbewegung. Das rühre noch von DDR-Zeiten her. "Indianervereine wurden zumindest geduldet, denn damit konnte man Propaganda gegen die US-Regierung machen", so Reibsch.

1991 entdeckten die ersten "Aussteiger" den damals verwilderten Floringshof. Die rund 50 Hektar Land wurden gekauft. In den Wendezeiten ging vieles durcheinander, doch schon im Dezember 1992 bestätigte das Rhinower Stadtparlament die "zeitlich befristete Duldung der Ansiedlung". Genaueres wurde nie festgeschrieben. Es häuften sich jedoch die Auflagen wie Ausstattung mit Feuerlöschern, die Anlage einer Feuerwehrzufahrt, die Abnahme der Feuerstellen durch einen Schornsteinfeger oder die Aufforstung des Waldes. Alles sei erfüllt worden, sagen die beiden Männer. "Wir kamen durch den guten Kontakt nach Rhinow deshalb nie auf den Verdacht, hier illegal zu wohnen", sagt Thomas Launhardt, der früher auf einem Kinderbauernhof arbeitete. Regelmäßig habe man sich an Rhinower Stadtfesten beteiligt. Unbekannt sei die Gruppe in ihrer Umgebung nicht. Das bestätigt eine Nachfrage auf dem kleinen Bahnhofsvorplatz. "Ach, die da draußen", sagte eine Frau. "Die tun doch niemandem etwas". Das Gleiche ist von der Verwaltung des Naturparkes Westhavelland zu hören.

Aus finanziellen Gründen strebt der Floringshof eine Klärung der Fragen mit der Bauaufsichtsbehörde an. Sie wollen notfalls um ihre Existenz kämpfen. Große Hoffnungen knüpfen die "Aussteiger" an ein Gespräch im Umwelt- und Raumordnungsministerium in der nächsten Woche. Zu Füßen des Potsdamer Landtags ist ein Informationstag geplant, um auf die Situation der Rhinower Gruppe aufmerksam zu machen.

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