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Brandenburg: Einreise in die DDR

Ein Pfarrer und seine Ehefrau haben in Perleberg ein privates Geschichtsmuseum eröffnet

Perleberg - „Sie wollen also wirklich in die DDR einreisen?“, fragt Museumsdirektor Hans-Peter Freimark. Er steht am Eingang des im einst typischen Grauputz gehaltenen Gebäudes. Und als der Blick des Besuchers auf Warnschilder aus dem Arsenal der Grenztruppen fällt, stellt sich unverzüglich ein beklemmendes Gefühl ein. Nein, bei diesem neuen Museum unweit des Perleberger Stadtzentrums dürfte es sich nicht um die üblichen Nostalgie-Sammlungen mit lieb gewordenen und verklärenden Utensilien aus der kleinen Republik handeln.

Hans-Peter Freimark, der Pfarrer im Ruhestand, wollte die Sammlung mit mehreren Tausend Exponaten ursprünglich „DDR-Dokumentationszentrum“ nennen. „Doch dieser trockene Begriff hätte die Leute vielleicht abgeschreckt“, sagt er. „Und wir brauchen das Publikum, um die Schau noch zu vergrößern.“ Mit „wir“ meint er seine Frau und sich. Ganz privat haben sie in den vergangenen zwei Jahren die Räume bestückt. „DDR-Geschichtsmuseum“, lautet nun vorerst der Titel.

Im Handumdrehen tauchen die Besucher auf den 400 Quadratmetern Ausstellungsfläche in den Alltag des vor 16 Jahren untergegangenen Staates ein. Lange Erklärungen fehlen weitgehend. Dafür liegen die vielen Bücher, Zeitschriften und Broschüren nicht unter Glas oder in Vitrinen. Besucher können sich so selbstständig in die Phrasen von Pieck, Ulbricht, Honecker oder Krenz vertiefen, die sie auf Parteitagen oder Plenartagungen von sich gegeben haben. Auch die Rolle der Blockparteien, zusammen mit der herrschenden SED in der „Nationalen Front“ vereint, wird beleuchtet – in Statuten, Biografien und Büchern.

Zur „Erholung von den harten Fakten“ versteht das kleine Museumsteam die Sammlung von Alltagsgegenständen. Dazu gehören original eingerichtete Wohn-, Schlaf- und Kinderzimmer, eine Verkaufsstelle und eine Kneipe. Die fanden die Freimarks auf Dachböden, in Abrisshäusern oder im eigenen Haushalt.

Das Ehepaar Freimark hat lange vor der Wiedervereinigung mit dem Sammeln begonnen. „So etwas musste man einfach aufheben. Sonst würde man später vielleicht gar nicht mehr von einer Diktatur reden, dachten wir“, erzählt der Museumschef. Schon zu DDR-Zeiten war der Pfarrer als kritischer Geist bekannt. Immer, wenn ihm die Lage als unerträglich erschien, hängte er schlichte Plakate auf. Sie trugen einfach nur Worte wie „Menschenrechte“ und „Pressefreiheit“ oder den damals unter Strafe stehende Spruch „Schwerter zu Pflugscharen“. Dieser steht heute noch auf seinem Privatauto.

Natürlich hatte die Staatssicherheit den Pfarrer im Blick. „Als ihre Methoden zur Einschüchterung keine Wirkung zeigten, ließ mich die DDR zu Besuchen in die Bundesrepublik ausreisen“, erinnert sich Freimark. „Danach wurde ich in der Öffentlichkeit bewusst diskreditiert und selbst als Stasi-Mitarbeiter hingestellt.“ Eine große Stasi-Ausstellung gehört nun zum Perleberger Museum. Ein dokumentierter Fall aus der Kleinstadt: 1981 wollten zwei Ehepaare mit einem selbst genähten Heißluftballon über die innerdeutsche Grenze flüchten. Ein Cousin, den sie ins Vertrauen gezogen hatten, verriet die Aktion. Haftstrafen bis zu drei Jahren und sechs Monaten folgten, während der Cousin eine Prämie von 700 Mark kassierte.

Das Museum in der Perleberger Feldstraße ist vorerst bis zum 1. Dezember donnerstags und freitags von 10 bis 13 sowie sonnabends und sonntags von 13 bis 16 Uhr geöffnet. Führungen sind auf Anfrage auch zu anderen Zeiten möglich. Der Eintritt kostet drei Euro. Auskünfte unter Telefon 0162 / 588 76 40.

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