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Brandenburg: Feuer frei auf die Kormorane

Weil sie zu viele Fische fressen, dürfen die Vögel jetzt gejagt werden – zum Ärger von Naturschützern

Potsdam - Naturschützer sind entsetzt, Fischer und Angler dürfen sich freuen: Im Land Brandenburg sollen die Kormorane, die in Deutschland zu den geschützten Vögeln zählen, zum massenweisen Abschuss freigegeben werden. Das sieht eine dem Tagesspiegel vorliegende Kabinettsvorlage des neuen Agrar- und Umweltministers Dietmar Woidke (SPD) vor, die am heutigen Dienstag nach jahrelangem Streit zwischen Fischern und Naturschützern von der Landesregierung verabschiedet werden soll.

„Zur Abwendung fischereiwirtschaftlicher Schäden“ und abweichend vom Bundesnaturschutzgesetz dürfen die schwarz gefiederten Vögel nach Inkrafttreten der neuen Kormoran-Verordnung Ende November in Brandenburg gejagt werden wie in keinem anderen Bundesland. Was bislang lediglich in Ausnahmefällen erlaubt war, soll dann jährlich vom 16. August bis 15. März – außerhalb der Brutzeit – möglich sein: Kormorane mit einer „für die Jagd zugelassenen Schusswaffe“ zu töten. Die Jagd auf die am Bauch noch hell gefiederten Jungtiere ist sogar ganzjährig freigegeben.

Selbst Naturschutzgebiete sind nicht mehr tabu. Es soll gestattet werden, dort Kormorane „mit Hilfe von Lasergeräten zu vergrämen“. Das heißt: Kormorane dürfen mit starken Lichtblitzen so erschreckt werden, dass sie ihren Brutplatz verlassen und der Nachwuchs stirbt.

Zum Hintergrund: Die einst seltenen und sogar vom Aussterben bedrohten Wasservögel, von denen es zu DDR-Zeiten hierzulande nur noch rund 100 Brutpaare gab, haben sich seither rasant vermehrt. Inzwischen leben in Brandenburg wieder 2640 Brutpaare, insgesamt sogar rund 12 000 Tiere, die zum Leidwesen der Fischer und Angler aber Unmengen Fisch vertilgen. Mit den „erheblichen Schäden“, die sie dabei anrichten, wird das rigide Vorgehen begründet. Tatsächlich verspeist ein Tier täglich 450 Gramm Fisch, alle Kormorane Brandenburgs zusammen jährlich „mindestens 750 Tonnen“. Zum Vergleich: Die Fänge der Brandenburger Fischer betrugen im Jahr 2003 etwa 1050 Tonnen Fisch, so heißt es in der Vorlage – also nur ein Viertel mehr, als die Kormorane auffressen.

Besonders ärgerlich für die Fischer ist, dass die Kormorane auch noch Feinschmecker sind. Ein Drittel ihrer Nahrung besteht aus „Feinfisch“, also jenen Fischarten, die für den menschlichen Verzehr gefangen werden. Die Vorlage nennt als Beispiel den Aal, „den Brotfisch unserer Fischer“. Doch schon seit Jahren gehen immer weniger Aale in die Netze. Die Fangmenge sank in den letzten Jahren von früher rund sechs Kilogramm auf nur noch rund 2,5 Kilogramm – zugleich stieg signifikant die Population der Kormorane. Im Jahr 2003 ging der Ertrag sogar auf 1,9 Kilogramm Aal pro Hektar zurück: den bisher niedrigsten Wert. Hatten Brandenburgs Fischer 1990 noch rund 278 Tonnen Aal gefangen, waren es im Vorjahr nur noch 128 Tonnen. Das Agrar- und Umweltministerium geht davon aus, dass die Kormorane allein jedes Jahr 140 Tonnen Aal vertilgen.

Diese Dimension der Fischereischäden wird vom Brandenburger Naturschutzbund (Nabu) allerdings bezweifelt. „Das ist nicht nachvollziehbar“, sagt Nabu-Geschäftsführer Wolfgang Mädlow. Nach seiner Ansicht verstößt die neue Verordnung gegen Bundesgesetze: „Wir prüfen juristische Schritte.“

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