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Brandenburg: Haushaltskrise: Koalition muss Versprechen zurücknehmen Entgegen der Regierungserklärung wird das Land wohl auch

in den Bereichen Wissenschaft, Bildung und Technologie sparen

Potsdam - Brandenburgs Finanzkrise ist weitaus dramatischer als bisher angenommen: Nach einer dem Tagesspiegel vorliegenden 130-seitigen Analyse des Finanzministeriums kann die Finanzierungslücke von rund einer Milliarde Euro im Doppelhaushalt 2004/2005 nicht ohne Abstriche am gerade erst beschlossenen Regierungsprogramm geschlossen werden. Das Kabinett trifft sich am kommenden Montag im Schloss Genshagen zu einer Spar-Klausurtagung, auf der die Budgets der einzelnen Ministerien für 2004/2005 festgelegt werden. Die Aufstellungen der geplanten Einschnitte soll jeder Ressortchef bis Ende Dezember beim neuen Finanzminister Rainer Speer (SPD) einreichen.

Sicher aber scheint, dass auch in den Bereichen Wissenschaft, Bildung und Technologieförderung gekürzt werden muss – obwohl SPD und CDU im Koalitionsvertrag ausdrücklich vereinbart haben, diese Bereiche zu verschonen. Matthias Platzeck (SPD) hatte nach seiner Wahl zum Ministerpräsidenten in der Regierungserklärung versichert: „Die Ausgaben für Wissenschaft und Forschung werden trotz der Haushaltsprobleme des Landes nicht gekürzt.“ Auch die kostspieligen Kita-Standards – Brandenburg hat hier bundesweit eine Spitzenposition – sollten danach nicht angetastet werden.

Dagegen hält der neue Finanzminister Rainer Speer (SPD) Einschnitte auch in diesen so genannten „prioritären Bereichen“ inzwischen für unvermeidlich. In der Analyse heißt es dazu, dass die Finanzlücke nicht geschlossen werden könne, ohne „politische Prioritäten einzuschränken“, in Leistungsgesetze oder bestehende Verträge einzugreifen oder auf Dritt- beziehungsweise Kofinanzierungsmittel zu verzichten. Mit Letzterem ist der Eigenanteil des Landes gemeint, wenn Gelder des Bundes oder der EU in Anspruch genommen werden.

Nach Einschätzung des Finanzministeriums wird der Sparbetrag von einer Milliarde Euro nur „schwerlich“ zu erreichen sein, wenn Bildung, Wissenschaft und Technologieförderung bei den notwendigen Einschnitten ausgenommen würden: Blieben diese Bereiche unangetastet, müsste zum Beispiel das Innenministerium 2005 gegenüber dem bisherigen Etatansatz 37,6 Millionen Euro einsparen. Das Ressort von Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) fordert bislang aber sogar zusätzlich 63 Millionen Euro für 2005. Würde der Koalitionsvertrag buchstabengetreu umgesetzt, hätten die größten Sparlasten das Agrar- und Umweltministerium mit 51,5 Millionen Euro, das Arbeits- und Sozialministerium mit 41,9 Millionen Euro sowie das Bau- und Verkehrsministerium mit 78,2 Millionen Euro zu tragen. Das Land müsste praktisch seinen gesamten Straßen- und Brückenbau einstellen.

Dies hält Speer aber offenbar nicht für durchsetzbar. Das Finanzministerium hat deshalb verschiedene Varianten durchgerechnet, doch Abstriche an den bisherigen Tabu-Bereichen des Koalitionsvertrages zu machen: Würden zum Beispiel 30 Prozent der Etatansätze für Bildung, Wissenschaft und Technologieförderung in die nötige Rotstift-Operation einbezogen, müsste das Wissenschaftsministerium 31 Millionen Euro einsparen.

Selbst wenn 90 Prozent der entsprechenden Etatansätze aus dem Sparprogramm ausgenommen würden, müssten im Wissenschaftsetat immer noch rund 22 Millionen Euro gestrichen werden. Die Hochschulen des Landes aber vertrauen noch auf gleichbleibende Förderung – und Brandenburg ist bei den Hochschulausgaben schon bisher bundesdeutsches Schlusslicht.

Die Opposition warf der neuen Regierung gestern prompt Versagen vor: Der Koalitionsvertrag sei „mit der heißen Nadel gestrickt und nicht seriös durchgerechnet“, erklärte PDS-Fraktionschefin Dagmar Enkelmann. Tatsächlich wurde nur zehn Tage über den Vertrag verhandelt. Enkelmann forderte gestern einen sofortigen Kassensturz. Dieser hätte schon vor der Festlegung von Prioritäten vorgenommen werden müssen. Platzeck nehme es mit der versprochenen Ehrlichkeit offenbar nicht ernst, wenn er seine Ankündigungen jetzt schon korrigieren müsse. Die PDS will auch die Frage geklärt wissen, ob ein Haushaltsnotstand drohe.

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