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Brandenburg: "Hetzjagd-Prozess": Enttäuschend oder nachvollziehbar?

Die Cottbuser Urteile im so genannten Hetzjagd-Prozess haben bei Politikern und Betroffenen unterschiedliche Reaktionen hervorgerufen. Brandenburgs CDU-Generalsekretär Thomas Lunacek sprach gestern nach der Urteilsverkündung von der "notwendigen Härte, mit der solche abscheulichen Verbrechen geahndet werden müssen".

Die Cottbuser Urteile im so genannten Hetzjagd-Prozess haben bei Politikern und Betroffenen unterschiedliche Reaktionen hervorgerufen. Brandenburgs CDU-Generalsekretär Thomas Lunacek sprach gestern nach der Urteilsverkündung von der "notwendigen Härte, mit der solche abscheulichen Verbrechen geahndet werden müssen". FDP-Generalsekretär Guido Westerwelle kritisierte das Urteil des Landgerichts Cottbus dagegen heftig. Als Abgeordneter müsse er sich bei der Bewertung von Urteilen sehr zurückhalten. "Persönlich" sei er aber sehr enttäuscht. Der Bruder des zu Tode gekommenen Algeriers Farid Guendoul alias Omar Ben Noui reagierte am Montag mit Tränen auf die Urteile. "Ich habe das Vertrauen in das Land der Rechte verloren", meinte der 39-Jährige später über den deutschen Rechtsstaat. Er und ein weiterer Bruder waren eigens aus der nordafrikanischen Heimat in die Lausitz-Stadt gekommen, um dem Schlussakt des 17 Monate langen Verfahrens beizuwohnen.

Die brandenburgische Ausländerbeauftragte Almuth Berger hält die Urteile im Cottbuser Hetzjagd-Prozess für vertretbar. Als "deutliches Zeichen gegen die Menschen verachtende Gesinnung der Fremdenfeindlichkeit" wertet das Aktionsbündnis gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit das Urteil im Cottbuser Hetzjagdprozess.

Das Urteil sei nach rechtsstaatlichen Kriterien ergangen, dennoch sei es "nicht voll zufrieden stellend", sagte am Montag in Potsdam der Vorsitzende des Bündnisses, Generalsuperintendent Rolf Wischnath. Auch das härteste Urteil mache die schreckliche Tat nicht ungeschehen, erläuterte Lunacek. Da Strafen auch abschrecken müssten, seien derartige Straftaten aus niederen Beweggründen wie etwa Fremdenhass auch härter zu ahnden. "Die fehlende Reue und Uneinsichtigkeit der Gubener Straftäter zeugt zudem von einem mangelnden Wertekorsett unserer Gesellschaft. Es bleibt unser aller Aufgabe, weiter daran zu arbeiten, dass Fremdenhass und Gewaltbereitschaft in unserer Gesellschaft keinen Platz haben." Berger warnte am Montag "vor dem Glauben, Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus allein mit juristischen und repressiven Maßnahmen bekämpfen zu können". Die Justiz könne nur in einem bestimmten Rahmen entscheiden. Enttäuschend für sie sei "das beinahe zynische Verhalten einzelner Verteidiger", die den Prozess mit Störmanövern unerträglich in die Länge gezogen hätten.

Dieses Taktieren "mit allen Tricks" wurde von Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) am Montag erneut kritisiert. Die Justiz müsse mit energischen Verfahren für zeitnahe Urteile sorgen, sagte er im Radio Eins. "Die Tatsache spricht ja für sich, dass dieser Prozess knapp eineinhalb Jahre gedauert hat." Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye wollte seinerseits ausdrücklich "keine Richterschelte" betreiben. Die Verteidiger hätten die Möglichkeiten der Strafprozessordnung "exzessiv genutzt". Das habe "nach draußen seine negative Wirkung" gehabt.

"Bei diesem Urteil fällt es mir sehr schwer, auch innerlich die Form zu halten", kritisierte Guido Westerwelle am Montag in Berlin. Dass auf die tödliche Hetzjagd überwiegend mit Bewährungsstrafen und Verwarnungen geantwortet werde, "ist aus meiner Sicht nicht mehr nachvollziehbar", betonte der FDP-Politiker, der früher als Anwalt selbst im Bereich des Jugendstrafrechts gearbeitet hat. "Wenn man einen Menschen in Todesangst versetzt, dann nimmt man auch einen tödlichen Ausgang dieser Hetzjagd billigend in Kauf." Im Prozess um die tödliche Ausländerjagd von Guben (Spree-Neiße) waren die elf Angeklagten am selben Tag überwiegend zu Bewährungsstrafen verurteilt worden. Lediglich drei Angeklagte erhielten zwischen zwei und drei Jahren Jugendhaft. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die Gruppe am 13. Februar 1999 in Guben drei Asylbewerber verfolgt hatte. Der algerische Asylbewerber Farid Guendoul hatte auf der Flucht in Todesangst eine Haustürscheibe eingetreten und sich eine tödliche Schnittwunde zugezogen.

Das Urteil zeige ein "Unverhältnis zwischen der moralischen Schuld, die jeder an der Hetzjagd Beteiligte auf sich geladen hat, und der juristisch fassbaren strafrechtlichen Schuld", betonte Wischnath.

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