zum Hauptinhalt

Johanna Wanka, CDU: "Platzecks Rechnung geht nicht auf"

CDU-Landeschefin Johanna Wanka glaubt, dass die SPD in einem rot-roten Bündnis verliert und kündigt eine harte Opposition an.

Brandenburgs SPD-Regierungschef Matthias Platzeck, mit dem Sie sieben Jahre am Kabinettstisch saßen, schmiedet seit zwei Wochen ein rot-rotes Bündnis in Brandenburg. Wie ist Ihre Gemütsverfassung?



Ich habe, politisch und menschlich, immer noch ein großes Problem mit seiner Entscheidung, auch mit der Art und Weise, wie Herr Platzeck es gemacht hat. Natürlich lebt Politik von der Veränderung, ist in der Demokratie der Wechsel angelegt. Aber eine Koalition mit den SED-Nachfolgern muss es nun wirklich nicht sein.

In Berlin ist es seit Jahren Realität. Was ist in Brandenburg anders?

Ich bin, wie viele in der SPD, wie Herr Platzeck noch vor einem Jahr, der Meinung: Es gibt keinen Grund, dass jetzt im Land Brandenburg eine Partei mit alten Rezepten, vertreten von denselben Leuten, die uns in Ostdeutschland vor 1989 beherrscht haben, mit die Landesregierung stellt. Dass die Linken im Parlament vertreten sind, ist normal. Rot-Rot, und dazu mit Stasiverstrickungen führender Politiker, ist für mich nicht akzeptabel.

Warum ist Platzeck umgeschwenkt?

Der Hauptbeweggrund der SPD war die Sorge des Ministerpräsidenten, in der eigenen Fraktion nicht alle Stimmen zu bekommen und damit seiner Wiederwahl nicht sicher zu sein. Das ist keine Vermutung, dafür gab es Signale. Es gab keinen inhaltlichen Grund, die Koalition mit der Union zu beenden.

Die SPD hat sich für Rot-Rot entschieden, nachdem Linke-Fraktionschefin Kerstin Kaiser, die als Studentin für die Stasi spitzelte, auf ein Regierungsamt verzichtete. Macht das einen Unterschied, wie Platzeck sagt?

Das ist ein Taschenspielertrick, der beim Wähler nicht ankommen wird. Die Frage ist doch, wer hat das Sagen, wer hat die Macht. Und da ist klar, dass in einer Koalition die Vorsitzende einer Regierungsfraktion eine herausgehobene Stellung hat und immer am Kabinettstisch sitzt. Der Koalitionsvertrag wird von ihr und vom Parteivorsitzenden Nord, beide sind frühere Stasi-IMs, unterzeichnet. Das spricht für sich.

Die Stasiverstrickungen von Frau Kaiser sind seit 15 Jahren bekannt. Sie selbst geht, anders als andere Linke-Politiker etwa auf ihrer Homepage, offen damit um, wurde mehrfach direkt gewählt. Kann man das nicht akzeptieren?

Für mich geht es um eine prinzipielle Frage: Ein Fehler ist doch nicht automatisch damit erledigt, wenn man ihn öffentlich zugibt, nachdem er bekannt wurde. Für Führungsämter sind doch auch Charaktereigenschaften entscheidend. Ich habe ein großes Problem damit, wenn jemand höchste Führungsämter anstrebt, der seine Freunde und Bekannten an die Staatssicherheit verraten hat. Wir wissen nicht, ob und welche Folgen das hatte, ob es Menschen und deren Familien zerstört hat. Wer IM war, hat keinen Anspruch auf Staatsämter.

Können Sie den Ansatz der SPD verstehen, durch die rot-rote Notlösung das weitere Erstarken der Linken stoppen, die sonst wie in Thüringen oder Sachsen vorbeiziehen könnten?

Die Rechnung geht nicht auf. Das haben andere rot-rot regierte Länder gezeigt. Sicher, am Anfang, nachdem die Linken in die Regierung eintraten, wo sie dann alles mitgemacht, ihre Überzeugungen über Bord geworfen haben, gab es immer einen Knick in den Wahlergebnissen. Am Ende aber hat in Sachsen-Anhalt und in Mecklenburg-Vorpommern die SPD verloren. Und in Berlin sieht man das inzwischen ja auch. Ich glaube, dass Rot-Rot in Brandenburg für die Linke eine Frischzellenkur ist, die die Partei auf Kosten der SPD langfristig stabilisieren wird.

Platzeck verteidigt Rot-Rot mit dem gesellschaftspolitischen Anspruch, dass große Bevölkerungsgruppen nicht dauerhaft am Rand stehen und zuschauen sollten.

Das ist ein merkwürdiges Demokratieverständnis. Opposition, wie die Linken bisher, steht nicht am Rande der Gesellschaft, schaut nicht von außen zu, sondern ist ein elementarer Teil unserer Demokratie. Nach dieser Logik müsste Kurt Beck in Rheinland-Pfalz die Union in die Regierung holen. Oder man könnte eine Allparteien-Koalition, eine Nationale Front wie zu DDR-Zeiten, bilden.

Rot-Rot koaliert im Eiltempo, wird sich schnell einig. Wie bewerten Sie die bisherigen Einigungen?

Noch muss man den Koalitionsvertrag abwarten. Aber nach einem Politikwechsel, nach neuen Ideen und Konzepten sieht das bisher nicht aus. Es ist bis auf ein paar symbolische Kleinigkeiten eher der Versuch, die bisherige erfolgreiche Politik, die in der Wirtschaft oder der Wissenschaft die Handschrift der CDU trägt, fortzusetzen. Nur eben mit einem anderen Partner. Den Spagat, gleichzeitig Regierung und Opposition zu sein, beherrschen die Linken ja perfekt. Es ist jedoch erstaunlich, wie schlecht sie verhandeln, obwohl sie in einer stärkeren Position sind, es kein Zurück gibt.

Wie will die Union in der neuen Oppositionsrolle Rot-Rot Paroli bieten?

Wir wollen eine kluge, professionelle Oppositionspolitik machen, nicht aus Prinzip alles verdammen, den Finger darauf legen, was für das Land schlecht ist. Da hilft uns die zehnjährige Erfahrung in der Regierung. Wir werden stärker sein als es die Linke je war. Zudem gibt es mit CDU, Grünen und der FDP gleich drei ernst zu nehmende Oppositionsparteien im Landtag, die auch ein breiteres Wählerspektrum ansprechen, Kritiker der Regierungspolitik nicht nur eine Opposition als Ansprechpartner haben.

Beanspruchen Sie für die Union die Führungsrolle in der Jamaika-Opposition?

Nein, es gibt ja keine Koalition in der Opposition. Aber wir sind die größte Oppositionsfraktion, daraus ergibt sich in manchen Fragen ein natürlicher Anspruch. Wir wollen koordiniert vorgehen, etwa wenn es um die Rechte der Opposition geht, ansonsten abgestuft, mit unterschiedlichen Nuancen. Man kann so eine Regierung eher bedrängen als durch eine einzige Oppositionspartei.

Kann die Opposition eine Chance für die Brandenburger CDU sein, die bei der Landtagswahl unter die 20-Prozent-Marke fiel?

Ja, Matthias Platzeck hat durch seine Entscheidung die Mitte geräumt, da wollen wir rein, unsere Wählerbasis verbreiten. Es ist generell auch eine Chance für die Union, obwohl es viele in der Partei schmerzt, wie wir herausgedrängt wurden. Wir werden außerdem Rückenwind durch die schwarz-gelbe Bundespolitik haben. Anders als bisher, wo wir in der Koalition unausweichlich Kompromisse machen mussten, können wir unser Profil schärfen, müssen das auch gegenüber der FDP und den Grünen.

Der erste Vorstoß, einen zweiten Vizepräsidenten des Landtages zu schaffen, scheiterte am rot-roten Veto. War es klug, mit einer Postenforderung zu starten?

Es geht nicht um Posten, sondern um die Rechte der Opposition. In jedem Bundesland stellt die Opposition einen Vize-Präsidenten des Landtages, nur in Brandenburg nicht. Es ist kein guter Stil, zeugt nicht von Größe, wenn SPD und Linke neben der Regierung auch noch die Spitze des Parlamentes bilden. Dass das bisher immer zwischen den zwei stärksten Fraktionen ausgemacht wurde, ist für mich kein Argument.

Sie kandidieren im November erneut für den Landesvorsitz. Was macht Sie so sicher, dass keine neuen Querelen ausbrechen?

Ganz einfach: Die Entwicklungen der letzten Monate. Sie haben gezeigt, dass wir als Partei gemeinsam und geschlossen zusammenstehen. Deshalb werden wir jetzt auf Regionalkonferenzen die Landtagswahl auswerten, gemeinsam über unsere Stoßrichtung als Opposition diskutieren.

Man kennt Johanna Wanka als erfolgreiche, am Konsens orientierte Wissenschaftsministerin. Manche zweifeln, dass Sie den nötigen Biss für die neue Aufgabe haben. Ist Oppositionsführerin überhaupt das Richtige für Sie?

Wer mich genauer kennt, wer mit mir Auseinandersetzungen hatte, weiß das: Ich bin nicht konfliktscheu. Ich kann sehr scharf sein. Als Oppositionsführerin will ich punktgenau formulieren. Und bei einem können Sie sich sicher sein: Ich werde treffen.

Das Interview führte Thorsten Metzner

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false