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Brandenburg: Justiz-Skandal: Häftlinge schwer misshandelt

„Rollkommandos“ mit Bediensteten Justizministerin sagt Termine ab

Brandenburg. In der Justizvollzugsanstalt in Brandenburg an der Havel sollen Häftlinge misshandelt worden sein – und zwar von maskierten „Rollkommandos“ von Bediensteten. Das von Ministerin Barbara Richstein (CDU) geführte Justizministerium bestätigte am gestrigen Abend einen Bericht des RBB-Magazins „Klartext“, in dem mehrere Häftlinge diesen Vorwurf erhoben. Sprecherin Dorothee Stacke sagte auf Anfrage, die Potsdamer Staatsanwaltschaft habe Ermittlungen gegen Bedienstete der Anstalt wegen des Verdachts der Körperverletzung im Amt und wegen unterlassener Hilfeleistung eingeleitet. „Wir nehmen die Vorwürfe sehr ernst.“ Das Ministerium habe Disziplinarverfahren gegen insgesamt acht Bedienstete eingeleitet. Noch in dieser Woche sollen Stacke zufolge Suspendierungen ausgesprochen werden. Wie der Tagesspiegel aus Justizkreisen weiter erfuhr, soll die Anstaltsleitung sogar Kenntnis davon gehabt haben, dass Bedienstete teilweise maskiert während der Arbeitszeit in der Anstalt unterwegs gewesen seien. Die Justizministerin hat wegen der Vorfälle für heute alle regulären Termine abgesagt.

Die Vorwürfe, die der Häftling Friedrich Frank gestern vor laufender RBB-Kamera erhob, sind ungeheuerlich: Es geschah vor kurzem, am Abend des 13. Januar 2004 gegen 23 Uhr. Der russlanddeutsche Invalidenrentner, der schon einmal am Herzen operiert worden war, plötzlich heftige Schmerzen in der Brust. Er bat um einen Arzt – vergebens. Nur ein Sanitäter schaute kurz vorbei. Wenig später hätten dann aber maskierte Bedienstete die Zelle betreten und ihn mit dem Gesicht nach unten zu Boden geworfen, sagte Frank. Die Männer hätten in „mit dem Gummiknüppel“ geschlagen. Erst am nächsten Tag wurde der 53-Jährige in der städtischen Klinik behandelt. Diagnose: Schwerer Herzinfarkt – er hätte ihn beinahe das Leben gekostet. Aus Sicherheitsgründen ist Frank, der um sein Leben fürchtet, nun gestern aus der Anstalt verlegt worden.

Das ist nach den Recherchen des RBB-Magazins „Klartext“ indes kein Einzelfall. Der Bericht stützt sich auf die Aussagen von zwei weiteren ehemaligen Insassen der Anstalt. Diese hätten bestätigt, dass die mit so genannten Sturmmasken getarnten Beamten in Dreier- bis Vierer-Gruppen auftraten und mit Schlagstöcken sowie Fäusten auf die Gefangenen einschlugen. Diese erlitten zum Teil schwere Verletzungen und Knochenbrüche. So beschreibt das auch der ehemalige Häftling Matthias Dünnebier, seine Erlebnisse datieren aus dem Jahr 1999. Er sei in der Arrestzelle geprügelt worden. Sein Vater erinnert sich: „Ich habe bald mein eigenes Kind nicht wieder erkannt. Die Stirn zerschlagen, Platzwunden“. Beschwerden bei der Anstaltsleitung seien im Sande verlaufen, ebenso eine Strafanzeige.

Die Justizvollzugsanstalt in Brandenburg an der Havel gerät nicht zum ersten Mal ins Zwielicht. 2003 war gegen Bedienstete ermittelt worden, weil sie Häftlinge für privaten Bedarf etwa Gartengrille, Wendeltreppenteile und Räucheröfen anfertigen ließen. Wenig später wurde eine Anstaltsärztin beurlaubt, weil sie sich aus der Gefängnisapotheke bedient haben soll. Der neue Skandal bringt Justizministerin Barbara Richstein (CDU) unter Druck. Sprecherin Dorothee Stacke kündigt Konsequenzen an. Das Haus arbeite an strukturellen Maßnahmen.

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