zum Hauptinhalt
Tarantino

© ddp

Kino: Einmal ein Mistkerl sein

Gestern wurden Komparsen für den Film "Inglorious Bastards" gecastet Tausende wollen beim Dreh mit Regisseur Quentin Tarantino dabei sein.

Potsdam - Die Frau mit den knallroten Lippen ist in ihren Roman vertieft. Auf sehr hohen Absätzen steht sie kerzengerade auf der August–Bebel-Straße in der Nähe des Tores zum Studio Babelsberg. Sie steht Schlange. Und die ist vor und hinter ihr mehrere hundert Meter lang. Endlos. „Das Warten lohnt sich aber, jedenfalls bei so ’nem Film“, sagt ein Mann ziemlich weit hinten in der Schlange.

Es ist Sonnabendvormittag. Mehrere tausend Menschen sind nach Babelsberg gepilgert, weil sie beim neuen Film des amerikanischen Kultregisseurs Quentin Tarantino dabei sein wollen. Der Streifen soll von Oktober bis Januar in Berlin und Umgebung gedreht werden. Das hier ist aber erst einmal sozusagen die Bewährungsprobe dafür: das Massencasting der Komparsen und Kleindarsteller.

Gesucht werden vor allem blonde Männer zwischen 20 und 45 mit militärischer Erfahrung – oder Amputationen. Schließlich spielt der Film im zweiten Weltkrieg. „Inglorious Bastards“ – Unrühmliche Hunde. Ein – wie sollte es bei Tarantino anders sein– Action-Streifen über eine Truppe jüdischer US-Soldaten, die in Ungnade gefallen sind und nun als Himmelfahrtskommando in Frankreich so viele Nazis wie möglich töten sollen.

Ist so eine Suche nach Komparsen mit fehlenden Armen oder Beinen nicht ein bisschen makaber? „Ach, ich find’s in Ordnung. Im Krieg fallen nun mal Gliedmaßen und Köpfe ab“, sagt der 30-jährige „Stev ohne e“. Als Beruf nennt Stev „Überlebenskämpfer“. Er sitzt im Rollstuhl. Seine rechtes Bein fehlt. „Wenn Leute wie ich mitspielen, wirkt das authentischer.“ Flankiert wird er von seinen Freunden Christian und Tim. Die drei albern herum: „Ist doch nicht schlecht, dass man bei dem Film endlich mal fürs Scheiße-Aussehen Geld bekommt. Eine nette Abwechslung zum Alltag in unsrer Gesellschaft, wo man sonst immer sexy und schön sein muss, um Erfolg zu haben.“ Eins fehlt Stev noch: die „historisch korrekte Frisur“, von der im Aufruf die Rede war. Die langen Haare sind zum Pferdeschwanz gebunden. Vor dem Dreh schon wird den Komparsen ein „Vierziger-Jahre-Schnitt“ verpasst, heißt es. Stev hofft trotzdem noch auf „Haarnetz und Stahlhelm.“

Maria Göpfert ist nach ein paar Stunden Wartezeit schon wesentlich weiter. Sie war bereits im großen weißen Zelt auf dem Studiogelände und hat dort ein Formular mit seltsamen Fragen ausgefüllt: Was für Tiere sie besitzt, und was für ein Fahrrad, und ob in ihrem Schrank festliche Kleidung hängt. Dann hat sie einen Zettel mit der Nummer 671 bekommen und sich in eine andere Schlange vor der Halle mit dem Schild „Stage 9“ eingereiht.

Dort stehen nur vier große weiße Leinwände, vor denen die künftigen Komparsen von allen Seiten fotografiert werden: mit Nummern vor der Brust wie für die Verbrecherkartei. Martina Göpfert ist Schauspielerin und sagt, dass Komparsenrollen eigentlich nicht als karrierefördend gelten. Aber auch wenn sie es nicht zugeben mag, hofft sie wohl auf einen „komischen Zufall“, der ihr vielleicht doch noch eine richtige Rolle beschert. Oder zumindest auf „Connections“. Tarantinos kantiger Schädel ist aber nirgendwo zu sehen.

Wer aus der Halle herauskommt, trägt einen weißen DIN-A-5-Zettel. Darauf steht, dass man angerufen wird. Vielleicht. Irgendwann. Daniela Martens

Am nächsten Sonnabend wird noch einmal gecastet: 11-16 Uhr, August-Bebel-Straße 26-43. Informationen unter www.filmgesichter.de

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false