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Brandenburg: Länderfusion: "Das Ding ist tot"

Es gibt eine Legende in der Berliner und Brandenburger Politik: dass trotz des gescheiterten Fusionsanlaufs vor vier Jahren eigentlich alle Parteien - auch die PDS - die Vereinigung beider Länder anstrebten, dass darauf nach Kräften hingearbeitet und die Zusammenarbeit immer besser werde. In Wahrheit rückt die Fusion, wie Brandenburger Politiker zugeben, "in immer weitere Ferne".

Es gibt eine Legende in der Berliner und Brandenburger Politik: dass trotz des gescheiterten Fusionsanlaufs vor vier Jahren eigentlich alle Parteien - auch die PDS - die Vereinigung beider Länder anstrebten, dass darauf nach Kräften hingearbeitet und die Zusammenarbeit immer besser werde. In Wahrheit rückt die Fusion, wie Brandenburger Politiker zugeben, "in immer weitere Ferne".

Ministerpräsident Manfred Stolpe, der vermutlich 2004 in Pension geht, wagt keine Prognose. Und sein Stellvertreter Jörg Schönbohm, der zu Jahresbeginn aufs Tempo drückte und 2004 über die Fusion abstimmen lassen wollte, sagt heute resigniert: Es gebe für das Projekt keine Grundlage, es fehle "jede emotionale Bewegung". Der Strippenzieher im Hintergrund, Staatskanzlei-Chef Rainer Speer, ergänzt: "Das Ding ist tot. Es fehlt der Impuls."

Frust über Berliner Egoismen

Dabei hatten das Potsdamer Kabinett und der Berliner Senat erst auf ihrer gemeinsamen Sitzung am 7. März einen Beschluss gefasst: Gemeinsame Parlamentskommissionen sollten zur Förderung eines Zusammenschlusses gebildet werden. Auf der Sitzung des Koordinierungsrates vom 29. Juni erinnerte Eberhard Diepgen noch einmal "an den Auftrag". Seitdem ist nichts passiert. "Nichts davon gehört", zuckt Schönbohm mit der Schulter. Auch SPD-Fraktionschef Gunter Fritsch winkt ab: zurzeit kein Thema.

Zwar loben Diepgen und Stolpe bei offiziellen Anlässen immer noch die Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern: Sie sei viel intensiver als die zwischen anderen Stadtstaaten und den Flächenländern ringsum, tönen sie seit Jahren und verweisen auf die gemeinsame Landesplanungsabteilung. Dies und jenes soll auch besser werden: So will Innenminister Schönbohm bis November mit seinem Berliner Amtskollegen eine bessere technische Zusammenarbeit der Polizei verabreden. Wirtschaftsminister Wolfgang Fürniß strebt eine engere Verzahnung mit Berlin in der Ansiedlungspolitik an und hat auch ein Beispiel parat: Brandenburg verzichtete darauf, sich um das neue Schulungszentrum des Software-Giganten SAP zu bewerben, im Gegenzug ließ Berlin die Internet-Firma ebay ziehen. Einen gemeinsamen Medienbeauftragten gibt es auch.

Doch sonst wird zwischen den Regierungen um Geld für Müll gefeilscht, gegenseitig stellt man sich Kita- und Schulgebühren in Rechnung. Der Ostdeutsche Rundfunk Brandenburg steigt aus dem länderübergreifenden Inforadio aus, und die geplante Fusion der obersten Finanz- und Verwaltungsgerichte sowie anderer Behörden ist auf Eis gelegt. Wiedervorlage ungewiss. "Man macht das Normale, das Nötigste", sagt Staatskanzlei-Chef Rainer Speer. Doch an wem liegt es? Friedrich Buttler, Staatssekretär im Potsdamer Hochschulministerium, verweist darauf, dass die mittleren Berliner Ebenen "sehr auf sich selbst fixiert" seien, auf innere Probleme und Verteilungskämpfe. Es gebe dort kein Interesse an Brandenburg.

Auch SPD-Bauminister Hartmut Meyer - der sich als "entschiedener Befürworter" einer Vereinigung bezeichnet - machte jüngst seinem Frust über Berliner Egoismen und Bürokraten laut Luft. Entgegen allen offiziellen Bekundungen sei die praktische Zusammenarbeit "einfach zum Heulen", klagte der Minister. Berlin bremse und verzögere Projekte, etwa die Bundesstraße 101, die auf Brandenburger Seite vom Autobahnring vierspurig Richtung Stadtgrenze ausgebaut wird. Es sei völlig unklar, wie der Verkehr in Berlin flüssig weiterrollen solle. Nach sieben Jahren habe Berlin jetzt zwar das Planfeststellungsverfahren abgeschlossen, doch sei nun offenbar die Finanzierung in Gefahr. Meyer: "Eine ewige Geschichte." Oder das Beispiel Kleinmachnow, wo tausende ExBerliner leben: Brandenburg will seit langem eine Buslinie aus der Randgemeinde über den Europark Dreilinden zum Bahnhof Wannsee einrichten. Dafür müsste ein Straße in Wannsee, zu Mauerzeiten für den Verkehr gesperrt, für Busse geöffnet werden. Man stoße in Berlin auf taube Ohren. "Seit Jahren" werde auch über die neue Bundesstraße 158 bei Ahrensfelde verhandelt. Oder: Der Brandenburger Entwurf für ein Einzelhandelskonzept liege seit anderthalb Jahren in Berlin - "aber nichts passiert." Vom Großflughafen wollte der Bauminister lieber erst gar nicht reden. "Ein Trauerspiel", fasste Meyer das Kapitel Berlin zusammen.

Aufhorchen lässt auch, dass in Potsdam immer öfter auf die "wachsende Entfremdung" zwischen Brandenburger und Berliner Politik hingewiesen wird. Das gegenseitige Interesse sei ziemlich erloschen, beobachtet etwa SPD-Landeschef Matthias Platzeck. Man habe sich eingerichtet, alles laufe nebeneinander her. "Die Berliner begnügen sich mit sich selbst." Gemeinsame Sitzungen der SPD-Landesvorstände gibt es schon lange nicht mehr, bestätigte Potsdams SPD-Landesgeschäftsführer Klaus Ness. Bei der CDU sieht es nicht anders aus: Treffen der Fraktionschef fänden nicht statt, sagte Fraktionschefin Beate Blechinger, die ein Beispiel für die Entfremdung parat hat: Jüngst zu einer Berliner CDU-Veranstaltung eingeladen, sei sie nicht begrüßt, nicht beachtet worden. Als Ex-Senator, der noch regelmäßig in der Hauptstadt verkehrt, hat CDU-Landeschef Schönbohm dieses Problem zwar nicht, doch konstatiert er: "Diepgen legt keinen Wert darauf, sich mit mir abzustimmen - es sei denn, er braucht mich einmal." Schönbohm hat eine Erklärung für das Phänomen parat: Berlin sei noch immer stark von der alten West-Berliner Politikergilde geprägt: "Für viele sind wir immer noch ein Teil des roten Meeres". Das Interesse an Brandenburgs Problemen sei gering, stattdessen blicke man nach wie vor mit einer gewissen Überheblichkeit auf den Nachbarn herab.

Böger: "Das wird nichts mehr"

Eine Einschätzung, die Sozialdemokraten teilen. Kein Wunder, betonen märkische Politiker, dass in der Bevölkerung die Akzeptanz für den Zusammenschluss nicht wachse, den fast alle für notwendig halten. Er sehe "für die nächsten zehn Jahre keine Chance", in Brandenburg eine Mehrheit für die Fusion zu bekommen, urteilt SPD-Umweltminister Wolfgang Birthler. CDU-Frau Beate Blechinger sagt, dass sich die Chancen noch verschlechtert hätten. Selbst Schönbohm gibt zu: Seine Zweifel, dass die Fusion in absehbarer Zeit durchsetzbar sei, seien gewachsen. "Warum sollte es 2009 klappen, wenn wir es 2004 nicht hinkriegen?" Berliner Politiker sehen es wohl nicht anders: Nach einer missglückten Fusionsdebatte im Jagdschloss Glienicke, zu der so gut wie kein Bürger erschienen war und die auch keinen Ausweg fand, stöhnte kürzlich SPD-Schulsenator Klaus Böger: "Das wird nichts mehr."

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