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Brandenburg: Lehrer sollen besser über DDR aufklären

Politiker über Unkenntnis von Schülern bestürzt Gauck: Pädagogen meiden das Thema bisher

Potsdam - Brandenburgs Schüler haben kaum Kenntnisse über die DDR – und jetzt beginnt in der Politik eine Debatte über Ursachen und Konsequenzen. So forderten Parlamentspräsident Gunter Fritsch (SPD) und Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) am Freitag, dass an den Schulen stärker elementares Wissen über die DDR vermittelt werden müsse. Sie reagierten damit auf eine Studie der Freien Universität Berlin, wonach Brandenburger Schüler auch im Vergleich zu anderen Bundesländern besonders häufig die DDR als Sozialparadies verklären – und das vor allem aus Unwissen.

„Es muss zunächst darum gehen, Fakten über die DDR zu vermitteln, aber nicht zu indoktrinieren“, forderte Fritsch. Das Ausmaß der fehlenden Kenntnisse sei „bedrückend“, sagte Schönbohm. Wenn das DDR-Bild Brandenburger Schüler vorwiegend persönlich gefärbt sei – vermittelt überwiegend von Elternhäusern und Filmen –, sei es um so wichtiger, dass Schule „ein objektives Bild“ vermittele. Selbst die Linke sieht das ähnlich. Sie beklagt schon länger, dass Geschichtsunterricht in Brandenburg zu kurz komme.

Wie berichtet, wissen Brandenburger Schüler kaum etwas über den Staat, in dem ihre Eltern lebten. Die Hälfte der befragten 750 Schüler aus 10. und 11. Klassen in Potsdam, Frankfurt (Oder) und Neuruppin konnte nicht einmal das Jahr des Mauerbaus nennen. Jeder Dritte hielt Willy Brandt und Konrad Adenauer für DDR-Politiker. Eine relative Mehrheit glaubt, dass die Renten in der DDR höher und die Umweltbedingungen besser waren als im Westen. Viele meinen, dass die DDR-Führung demokratisch legitimiert gewesen sei.

Worin die Ursachen der Unkenntnis liegen, ist aber umstritten. Der Autor der Studie, der FU-Professor Klaus Schroeder, macht etwa den ausgebliebenen Generationswechsel an den Schulen in Brandenburg dafür verantwortlich, wo nach 1990 quasi alle Lehrer übernommen wurden. Auch der frühere Stasi-Beauftragte Joachim Gauck glaubt, dass das Unwissen über die DDR vor allem mit der Befangenheit der Ost-Lehrer zusammenhänge, die „zu lange selbst Diener der Diktatur“ gewesen seien und deshalb das Thema im Unterricht möglichst vermeiden würden.

Dagegen warnten Fritsch, aber auch SPD-Generalsekretär Klaus Ness vor pauschalen Schuldzuweisungen: Selbst wenn man nach 1990 mehr Lehrer ausgetauscht hätte, wäre die heutige Situation wohl nicht viel anders, vermutet Fritsch. Es helfe nicht, reflexhaft die DDR-Keule herauszuholen, weil das nur das Gegenteil auslöse, „nämlich Abwehrreflexe“, sagte Ness. „Belehrung kommt gegen Erfahrung nicht an.“ Vielmehr sei es wichtig, dass die Demokratie emotional überzeugende eigene Positivbilder entwickle. Erste Weichen dahin sind zumindest gestellt. Brandenburgs Regierung hatte auf Aufforderung des Landtages kürzlich eine Strategie für einen intensiveren Umgang mit der SED-Diktatur vorgelegt, die auf verstärkten Unterricht, aber auch auf die Unterstützung authentischer Gedenkstätten setzt.

„Wenn man das Konzept mit Nachdruck durchsetzt, wird es Abhilfe schaffen“, sagte der CDU-Abgeordnete Dieter Dombrowski, der in der DDR aus politischen Gründen im Gefängnis saß. Es dürfe nicht länger im Ermessen der Lehrer liegen, ob und wie die DDR behandelt werde. „Das muss vom Bildungsministerium über die Schulämter durchgesetzt und kontrolliert werden.“ Es sei „eine Schande“, wenn in der Stasi-Gedenkstätte Hohenschönhausen mittlerweile 15 000 Schüler aus Bayern waren, „aber nur einige hundert aus Brandenburg“. Thorsten Metzner

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