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Brandenburg: Minister Reiche: Dennis könnte noch leben

Untersuchungsbericht zum Fall des toten Jungen in der Tiefkühltruhe listet Behörden-Pannen auf

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Cottbus / Potsdam - Wäre Dennis B. wie jeder Schulanfänger vom Amtsarzt untersucht worden, könnte er vielleicht noch leben. Das sagte Brandenburgs Bildungsminister Steffen Reiche (SPD) am Dienstag auf einer Sondersitzung des Bildungsausschusses im Landtag, auf der auch der Untersuchungsbericht seines Ministeriums vorgelegt wurde.

Darin heißt es aber auch, dass trotz der Versäumnisse davon auszugehen sei, dass „ein Fehlverhalten von Behörden nicht ursächlich für den Tod von Dennis ist“. In dem sechsseitigen Bericht werden schwere Pannen der staatlichen Schulbehörden aufgelistet, die das tragische Schicksal des Jungen offenbar begünstigt haben. Niemand reagierte darauf, dass der eigentlich seit 2001 schulpflichtige Dennis nie in der Schule erschien. Erst jetzt war seine Leiche entdeckt worden, die seit Dezember 2001 in einer Tiefkühltruhe lag (der Tagesspiegel berichtete).

Während Reiche disziplinarrechtliche Schritte gegen den Schulleiter und den Schulrat ankündigte, weil im Fall Dennis die Schulpflicht nicht durchgesetzt wurde, sieht die Cottbuser Oberbürgermeisterin Karin Rätzel (parteilos) keine Versäumnisse städtischer Ämter und deshalb keinen Anlass für dienstrechtliche Konsequenzen, etwa gegen das Jugendamt. Für Rätzel ist klar, dass die Versäumnisse beim staatlichen Schulamt lagen. Im Untersuchungsbericht heißt es hingegen, dass die Arbeit der beteiligten Ämter zum Teil durch „fachlich problematisches und rechtlich zu beanstandendes Handeln gekennzeichnet“ gewesen sei. Ausdrücklich werden das Jugend-, Sozial- und Gesundheitsamt genannt.

Die Schule beziehungsweise das Schulamt, das unter der Fachaufsicht des Bildungsministerium steht, hatte im Fall Dennis nicht nur auf die vorgeschriebene Schuleingangsuntersuchung verzichtet, sondern auch auf ein Bußgeldverfahren gegen die Eltern. Das Gesundheitsamt wurde nicht informiert. Die Schule hatte Dennis zwei Jahre als „krank“ geführt, ohne die Angaben der Mutter zu überprüfen. Eine Krankmeldung ohne ärztliches Attest über einen so langen Zeitraum ist unzulässig, stellt der Bericht klar.

In dem Untersuchungsbericht werden Konsequenzen angekündigt. So sollen ab sofort nicht nur die Schulämter, sondern auch die Schulen und die Gesundheitsämter die Listen der einzuschulenden Kinder erhalten: So soll vermieden werden, dass Kinder, die keine Kita besuchen, die Schuleingangsuntersuchung versäumen. Für PDS und CDU reicht das nicht aus. CDU-Fraktionschefin Beate Blechinger sieht „systematische Missstände“ bei den Jugendämtern. Die PDS drängt auf die Wiedereinführung von Reihenuntersuchungen der Kinder.

Die Cottbuser Staatsanwaltschaft, die im Fall Dennis ermittelt, sieht weiterhin keinen Anfangsverdacht gegen Mitarbeiter von Behörden. Eine Sprecherin der Staatanwaltschaft sagte dem Tagesspiegel: „Wir können nur Anklage erheben, wenn zwischen ihrem Handeln und dem Tod des Jungen ein kausaler Zusammenhang bestünde. Dafür gibt es bisher keine Anhaltspunkte.“ Die Sprecherin bestätigte auch, dass die Eltern des toten Jungen, die sich in Untersuchungshaft befinden, nun durch einen Gerichtspsychiater untersucht werden sollen: „Wir prüfen, ob die Zurechnungsfähigkeit der Eltern eingeschränkt ist. Das könnte Auswirkungen auf das Strafmaß haben.“

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