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Nach Nachterstedt: In der Lausitz wächst Unruhe über die Tagebau-Flutung

Angst vor dem Tagebau in der Lausitz: Wie gut ist der Boden verdichtet, wird nach Nachterstedt-Unglück gefragt. Experten sehen keine Alternative zur Umgestaltung der Kohlegruben in Seen.

Grossräschen – Die einst so weitverbreitete Vorfreude auf das neue Lausitzer Seenland im ehemaligen Braunkohlerevier ist seit der Katastrophe von Nachterstedt erheblich zurückgegangen. Vielerorts fragen Einwohner und Unternehmer nach Alternativen für die Flutung der Tagebaulöcher. Schon sind Vorwürfe zu hören, dass die Einleitung von Wasser die „billigste, einfachste und gefährlichste“ Art der Sanierung sei. Doch der Geschäftsführer der die Umgestaltung der Lausitz begleitenden Internationalen Bauausstellung (IBA), Rolf Kuhn, widerspricht: „Die Natur würde sich zwar selbst helfen und braucht die Hilfe des Menschen nicht“, sagt er. „Aber dann bliebe eine große Fläche auf Dauer unbewohnbar.“ Denn niemand könne sich wegen des unsicheren Untergrundes hier aufhalten.

Das Unglück von Nachterstedt habe gezeigt, welche Folgen eine unzureichende Verdichtung des Bodens und der Seeufer nach sich ziehen könne. Auch in der Lausitz hat es schon mehrere großflächige Bodenabbrüche gegeben, dabei gab es aber nur Sachschäden. Deshalb würde jetzt mit viel Kraft und Aufwand versucht, um die neuen Seen einen Spundwandgürtel zu ziehen. „Wenn der Mensch die Sanierung nicht begleitet, wäre ein zwei Kilometer breiter Streifen um die Tagebauseen auf Dauer nicht zu betreten“, so der Professor. Zur Sicherheit werden jetzt alle ehemaligen Bergbaugebiete in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg überprüft.

Theoretisch sei es natürlich möglich, die Gruben auf Dauer von der gewaltigen Kraft des Wassers fernzuhalten. „Doch dann müssten die Pumpen aus Tagebauzeiten ständig in Betrieb sein“, erklärt Professor Kuhn von der IBA. „Das kann niemand bezahlen.“ Außerdem wären die Flächen dann nicht nutzbar. Andererseits fehlt für eine Verfüllung der Löcher ganz einfach die Erde. Die geförderte Kohle oder der Sand und der Quarz sind längst verbraucht. Nicht alle Tage wird außerdem ein so großes Bauvorhaben wie die Neugestaltung des Potsdamer Platzes in Berlin in Angriff genommen. Zwischen 1994 und 2002 wurden täglich mehrere Güterzüge mit insgesamt sechs Millionen Tonnen Erdaushub in den stillgelegten Tagebau Lübbenau-Süd verkippt, wo inzwischen ein Wald und Getreide wächst.

Außerdem geht die Flutung der Tagebaulöcher auf eine bewusste Entscheidung der Landesregierung zurück. Nach dem Rückgang der Kohleförderung sollten Menschen im Tourismus eine neue Perspektive erhalten. Ministerpräsident Platzeck nannte die Rekultivierung der Tagebaue eine „Leistung von historischer Tragweite“. Hier werde aus einer Erblast der DDR die Zukunft einer ganzen Region geschaffen. Das direkt an der Kante des Tagebaus Meuro in Großräschen stehende Besucherzentrum der Internationalen Bau-Ausstellung ist nach Auskunft von Professor Kuhn nicht gefährdet: „Darunter liegt gewachsener Boden“. In etwa fünf Jahren sollen Besucher von der Terrasse direkt zur Anlegestelle eines Ausflugsdampfers laufen können.

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