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Untergräbt den Deich. Lange war er ausgerottet, jetzt vermehrt sich der Biber wieder – und die Menschen im Oderbruch fürchten, er gefährde den Hochwasserschutz.

© ddp

Nagetiere: Bürgerwehr gegen Biber

Anwohner machen Biber für die Zerstörung von Deichen im überschwemmten Oderbruch verantwortlich. Die Nagetiere dürfen in Deutschland nicht getötet werden.

Letschin – Die Botschaft auf den Plakaten lässt keine Fragen offen: Ein dickes rotes Kreuz verdeckt einen Biber, der vor einem überfluteten Damm hockt. Das einst in der Region völlig ausgerottete und erst seit kurzem hier wieder heimische Tier hat im weitgehend überschwemmten Oderbruch die Wut der Anwohner auf sich gezogen. „Der Biber wühlt sich in den Deich, macht ihn weich und gefährdet damit die Standsicherheit“, heißt es vom Verein „Wir im Oderbruch“, der sich die Anti-Biber-Plakate ausdachte und an mehr als 80 Standorten vor allem rund um Letschin aufhängen ließ. Auch die Landwirte, deren Felder nordöstlich von Berlin durch das sogenannte Binnenhochwasser schon seit dem vergangenen August unter Wasser stehen, machen bei der etwas hilflos wirkenden Aktion mit. „Hochwasserschutz vor Artenschutz“, lautet die Forderung.

In einigen Orten wie in Croustillier ist die Stimmung besonders aufgeheizt. Die Nagetiere haben hier etliche Bäume zum Einstürzen gebracht und so die Entwässerungsgräben blockiert. Deshalb will die neu einberufene „Bürgerwehr“ die Biber in der Umgebung am liebsten wieder ausgerottet wissen. „Eine andere Lösung gibt es nicht“, sagt ein Bewohner am Gartenzaun. „Wenn wirklich mal ein Exemplar gefangen wird, kommt es doch in kurzer Zeit wieder an anderer Stelle frei. In Letschin ist es genauso passiert.“

Allerdings ist es verboten, einen Biber zu töten. Die Tiere stehen unter strengem Naturschutz und dürfen – ebenso wie Wölfe, Luchse oder Elche – in Deutschland nicht gejagt werden. Auf der polnischen Seite des Oderbruchs hingegen geht es den fortpflanzungsfreudigen Bibern regelmäßig an den Kragen, weil man auch hier Sorge vor einer sprunghaft wachsenden Population hat. „Das bleibt in der Tierwelt natürlich nicht verborgen“, sagt Otto Kroll, Chef der Bürgerinitiative „Rettet das Oderbruch“. Die Biber würden sich deshalb zunehmend auf der deutschen Seite des Oderbruchs ansiedeln. „Inzwischen haben wir es hier wohl mit 200 Tieren zu tun, die Röhren mit bis zu 60 Zentimetern Durchmesser graben. Sie bauen in die Deiche richtige Kessel mit drei Räumen.“ Auch Kroll wünscht sich weniger Biber im Bruch. „Am Oderdeich, von dessen Standsicherheit das Schicksal von 20 000 Bewohnern abhängt, haben die Tiere nichts zu suchen“, sagt Kroll.

Der Unfall eines Deichläufers zu Beginn des Jahres hatte die öffentliche Aufregung noch deutlich verschärft. Der Mann war mitten im Deich in einen Biberbau eingebrochen und bis zur Hüfte versunken. Der Biber zerstört den Damm, lautete die weit verbreitete Schlussfolgerung, mache ihn durchlässig und gefährlich.

Auch der Landrat des Kreises Märkisch Oderland, Gernot Schmidt, spricht sich inzwischen für eine behutsame Reduzierung des Bestandes aus. Von der Plakataktion ist er nicht begeistert, weil das Tier darauf verteufelt werde. Schließlich könne der Biber nichts für eine verfehlte Politik, sagt Schmidt.

Der Chef des Brandenburger Landesumweltamtes, Matthias Freude, hält die ganze Aufregung für ungerechtfertigt. „Es gibt keine Biberinvasion, weil sich der Bestand von selbst reguliert“, sagt der 59-jährige Biologe, dessen Behörde sowohl für die Hochwasserabwehr als auch für den Tierschutz zuständig ist. „Eine Biberfamilie braucht an einem Gewässer ein mindestens sechs bis sieben Kilometer langes Revier. Dort ist dann kein Platz für ein zweites Pärchen.“

Andererseits werde aber der durch den Tod eines Bibers frei werdende Platz sofort durch ein Jungtier besetzt. In das Innere eines Deichs grabe sich der Biber nur bei höchster Gefahr. „Er will bei Hochwasser einfach seinen Nachwuchs in Sicherheit bringen und sucht sich einen Platz für eine Wohnung in der bestmöglichen Umgebung.“ Er durchbohre den Deich aber nicht. Dennoch sollten die Dämme künftig mit Gittern aus Edelstahl gesichert und im Vorland Wildrettungshügel angelegt werden.

„Dennoch wird in Brandenburg dem Biber kein höherer Rang als dem Hochwasserschutz eingeräumt“, versichert Freude. Er wolle ein „artgerechtes Management“ durchsetzen, um die Deiche zu schützen. So lange aber wollen die Bewohner des Oderbruchs nicht warten. Sie befürchten, dass die nächste Oderflut schon in Kürze wieder die Dämme gefährden könnte. Die Plakate werden wohl noch eine Weile hängen.

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