zum Hauptinhalt

Brandenburg: Platzeck für Kohlestrom, aber gegen neue Tagebaue

Regierungschef distanziert sich von Wirtschaftsminister Junghanns Brandenburgs Kraftwerke gehören zu den dreckigsten in Europa

Potsdam - Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) sieht derzeit keine Notwendigkeit, „konkrete“ Planungen für neue Braunkohletagebaue in der Lausitz und damit auch für die Umsiedlung dutzender Ortschaften in Angriff zu nehmen. Zwar bekennt sich Platzeck zur Braunkohleverstromung in Brandenburg. „Doch sie hat nur eine Perspektive, wenn sie deutlich klimafreundlicher wird“, sagte er am Donnerstag dem Tagesspiegel. Deshalb sei es „zur gegenwärtigen Zeit müßig“, aus einer weit vorausschauenden Potenzialanalyse „konkrete Folgen zu debattieren“. Die Zukunft der Braunkohle ab 2020 hänge schließlich „von der Entwicklung CO2-armer Kraftwerke ab“.

Der Regierungschef ging damit auf Distanz zu seinem Wirtschaftsminister und CDU-Vize Ulrich Junghanns, der am Vortag – ohne Abstimmung mit dem Kabinett – eine Studie der Technischen Universität Clausthal mit dem Votum für sieben neue Tagebaufelder präsentiert hatte. Sie löst in der Region erhebliche Ängste aus. Seit gestern liegt nun auch die 145-seitige Langfassung vor – mit noch brisanteren Einzelheiten. Danach empfehlen die Gutachter die sieben Abbaufelder „mit hoher Priorität“ in Angriff zu nehmen. Damit könne „in einer ersten Stufe“ die Versorgung der Lausitzer Bergbau- und Kraftwerksindustrie „für circa 50 Jahre“ aus den Feldern Bagenz-Ost, Forst-Hauptfeld, Klettwitz-Nord, Spremberg-Ost, Jänschwalde Nord und Süd, und Neupetershein gewährleistet werden, heißt es.

Von Abbaggerung bedroht wären dadurch bis zu 33 Orte. Die Zahl der Umzusiedelnden wäre zudem weitaus größer als bislang bekannt: nicht 7000, sondern bis zu 11 500 Menschen. Zwar wurden auch Szenarien mit weniger Umsiedlungen untersucht, aber dann wären die Tagebaue unwirtschaftlich. Dass Junghanns öffentlich – mitten in der bundesweiten Klimadebatte – den Aufschluss neuer Tagebaue forciert, sorgt in der Landesregierung für Streit. „Ich hätte mir ein sensibleres Vorgehen gewünscht“, sagte Umweltminister Dietmar Woidke (SPD). Platzeck selbst stellte klar, dass sich das Kabinett bislang „keine Meinung“ zu den Ergebnissen der Studie gebildet habe. „Das Kernproblem ist: Die Landesregierung hat keine Energiestrategie“, rügte PDS-Oppositionsführerin Kerstin Kaiser. Junghanns habe mit seinem Vorgehen „auf dem Rücken der Region und der Leute Unsicherheiten geschürt“.

Derzeit beliefern in der Lausitz drei Tagebaue die Braunkohlekraftwerke in Jänschwalde und Schwarze Pumpe, die wegen der hohen Treibhausgas-Emissionen als „Klimakiller Nummer Eins“ gelten. Das Kraftwerk Jänschwalde landete gerade auf einer EU-Liste der 30 größten Dreckschleudern in Europa auf Platz vier, Schwarze Pumpe auf Platz 10.

Die Kohlebagger könnten sich langfristig sogar aus der Lausitz heraus in Richtung Norden bewegen. Die Studie weist für einen potenziellen Tagebau ein Lager südlich von Fürstenwalde aus. Und Brandenburgs größte Braunkohlelagerstätte liegt im Raum Mittenwalde südlich von Berlin.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false