zum Hauptinhalt

Brandenburg: Platzeck und Bisky gemeinsam gegen das Bombodrom

Beim bisher größten Protest gegen das Tiefflugareal sprachen Ministerpräsident und PDS-Chef vor 10 000 Menschen

Neuruppin. Ein ohrenbetäubender Lärm eröffnete am Sonnabend in Neuruppin die bislang größte Kundgebung gegen das geplante Bombodrom im nördlichen Brandenburg. Den Krach machte ein von den Gegnern des Truppenübungsplatzes bei Wittstock aufgestellter Düsenflugzeug-Simulator. Für einen Moment erstickte dieser jedes Gespräch auf dem Schulplatz, wo sich nach Polizeiangaben bis zu 10 000 Menschen zum Protest gegen die Bundeswehrpläne versammelten.

Die Lärmmaschine sollte auf die größte Gefahr des geplanten Bombenabwurfplatzes aufmerksam machen: Wo Tornados in geringer Höhe fliegen, um auf dem Heidegebiet ihre Übungsbomben abzuwerfen, würden Tourismus, Landwirtschaft und andere Erwerbszweige sterben. Die Unternehmerinitiative „Pro Heide“ hatte zu der Kundgebung aufgerufen; auch die Bürgerinitiativen „Freie Heide“ und „Freier Himmel“ aus der Müritzregion sowie die evangelische Kirche unterstützten den Protest. Die Unternehmer befürchten den Verlust von 15 000 Arbeitsplätzen durch die Tiefflugübungen.

Mit Spannung wurde der Auftritt von Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) erwartet. Er hatte genau wie CDU-Chef Jörg Schönbohm und die Landtagsfraktionen beider Parteien zuletzt eine überraschende Kehrtwende vollzogen. Nachdem er jahrelang zu dem Konflikt um das Bombodrom geschwiegen hatte, gibt Platzeck jetzt ausdrücklich der zivilen friedlichen Nutzung den Vorrang. „Mein Votum richtet sich nicht gegen die Bundeswehr. Ich weiß, dass die Armee üben muss“, sagte Platzeck in seiner Rede auf der Kundgebung. Aber die Gegend um den Übungsplatz sei nicht mehr so „jungfräulich“ wie noch vor anderthalb Jahrzehnten, als die russische Armee den Platz aufgab. Viele Menschen hätten hier investiert und sich eine Zukunft aufgebaut. Doch die Tiefflugübungen würden das touristische Potenzial zerstören. Er werde deshalb erneut Verteidigungsminister Peter Struck und Bundeskanzler Gerhard Schröder (beide SPD) auffordern, den Übungsplatz nicht zu nutzen, kündigte Platzeck an. Er erwarte eine Entscheidung noch vor den Landtagswahlen im September.

Brandenburgs Umweltminister Wolfgang Birthler (SPD) nannte es eine „Katastrophe“, falls der Platz wieder in Betrieb genommen würde. Ein naturnaher Tourismus und moderne Landwirtschaft funktionierten nur in einer Region ohne Lärm und Schmutz. Birthler zweifelte auch am Sinn der geplanten Militärübungen: Keines der drängenden Probleme dieser Welt lasse sich mit Tieffliegern lösen. PDS-Chef Lothar Bisky sagte mit Blick auf die Klagen gegen das Bombodrom: „Wir können die Entscheidung nicht der Justiz überlassen, sondern brauchen eine politische Lösung.“ Für die Landtagssitzung am 31. März kündigte Bisky einen eigenen Antrag der PDS an. An diesem Tag wollen auch die Koalitionsfraktionen von SPD und CDU für eine zivile Nutzung der Heide stimmen. Der Spitzenkandidat der Grünen in Brandenburg, Wolfgang Wieland, sprach von erstaunlichen „Wendehälsen am Brandenburger Kabinettstisch“. Aber auch „Spätbekehrte“ seien willkommen, um Kriegsübungen nach altem Muster zu bekämpfen. Zum Abschluss der rund anderthalbstündigen Kundgebung verabschiedeten die Teilnehmer eine Resolution an die Bundesregierung, ein für allemal auf die militärische Nutzung des 12 000 Hektar großen Areals zu verzichten.

Verteidigungsminister Struck bekräftigte gestern sein Festhalten am Bombodrom. Er halte die Belastung für die Bevölkerung für zumutbar, da sie sich in engen Grenzen bewege. Struck kündigte erneut den Bau einer Garnison bei Wittstock für 800 bis 1000 Soldaten an. Davon hatte das Wittstocker Stadtparlament bislang seine Zustimmung zum Übungsplatz abhängig gemacht. Es hofft auf 150 zivile Jobs durch die Garnison.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false