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Brandenburg: Potzblitz Potsdam

Häuser saniert, City belebt, es geht bergauf. Nun will die Verwaltung ein Dankeschön – und sammelt Geld

Potsdam – Manchmal geht es um 2000 Euro, mitunter sogar um das Zehnfache. Die Potsdamer Stadtverwaltung ist auf Werbetour, klappert die Eigentümer sanierter Häuser im Zentrum und in Babelsberg ab. Die sollen Geld bezahlen für die mit öffentlichen Mitteln geschaffene Aufwertung ihrer Straßenzüge. Mal wird deutlicher, mal dezenter gefragt, immer geht es um eine „Ausgleichszahlung“.

Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) will mit dem Geld die Sanierungsarbeiten für die Stadt fortsetzen. Denn es sind erst 75 Prozent der alten Bausubstanz saniert, aber, so Jakobs: „Das von Bund, Land und der EU aufgelegte Förderprogramm für historische Zentren ist leider ausgelaufen.“ Und weiter: „Wir müssen natürlich weitermachen, um auch die letzten Schandflecken und Ruinen zu beseitigen.“ Das Verhältnis zwischen renovierten und heruntergekommenen Häusern ist in allen drei Potsdamer Sanierungsgebieten gleich. Im Holländischen Viertel, in der benachbarten so genannten zweiten barocken Stadterweiterung wie auch im Stadtteil Babelsberg strahlen im Schnitt 75 Prozent der Gebäude im alten historischen Glanz. Besucher, die lange nicht in der Stadt waren, wundern sich über die Fortschritte. Potsdam hat sich gut entwickelt.

Dieter Lehmann, im Rathaus für Stadterneuerung und Denkmalpflege zuständig, rechnet vor: „Ein Euro aus öffentlichen Förderprogrammen hat fünf Euro privates Geld nach sich gezogen.“ Der Staat habe Hauseigentümer oder Gemeinschaften eine Finanzierungsspritze erteilt, die danach das Vielfache der Summe investierten. Natürlich hätten viele Käufer von den Steuerabschreibungen profitiert, aber die Stadt und ihre jährlich 2,8 Millionen Besucher könnten mit dem Ergebnis vollauf zufrieden sein.

Die Werbetour für die „Ausgleichszahlungen“ habe einen aus Potsdamer Sicht sehr egoistischen Hintergrund, sagt Lehmann. Laut Baugesetzbuch seien die Eigentümer in einem öffentlich geförderten Sanierungsgebiet nach einer gewissen Zeit zu diesem Abschlag gezwungen. „Das Geld kommt dann aber Land, Bund und der EU zugute, die auch das Förderprogramm aufgelegt haben. Wir aber wollen mit den Eigentümern Verträge schließen, damit sie das Geld freiwillig ausschließlich an Potsdam zahlen.“ Diese Klausel lasse das Gesetzbuch zu.

Großer Widerstand der Angesprochenen ist nicht zu erwarten. Viel zu deutlich sind Vorteile eines renovierten Viertels. „In der Innenstadt haben wir bei den Wohnungen in den sanierten Häusern nur einen Leerstand von fünf Prozent“, sagt der Oberbürgermeister. „Davon profitieren Läden, Handwerker und Gaststätten.“ Sie könnten also einen Teil ihrer Gewinne an die Stadt zurückgeben. Nur bei der Vermietung von Gewerberäumen sieht Jakobs noch Reserven.

Als wahrer Glücksfall für das Zentrum hat sich die Eröffnung des Karstadt-Warenhauses in der Brandenburger Straße im Frühjahr 2005 erwiesen. Es wirkt wie ein Magnet und füllt selbst die benachbarten Geschäfte mit Kunden. Auch dort hat inzwischen ein Wechsel im Sortiment stattgefunden, Billigwaren sind meist verschwunden. „Die Innenstadt lebt wieder“, findet auch Karin Genrich, Inhaberin eines Modegeschäftes in Sichtweite von Karstadt.

Der Erfolg hat auch die Entscheidung zum Wiederaufbau des beim Bombenangriff im April 1945 zerstörten und später gesprengten Stadtschlosses befördert. Das bis zum Ende des Jahrzehnts entstehende Gebäude in der historischen Mitte soll den Brandenburger Landtag beherbergen und mit seiner Fassade an das Stadtschloss erinnern. Im Juli startet der Architektenwettbewerb. Zuvor sammelt die Stadt Ideen für die Gestaltung der historischen Mitte vom Havelufer bis zur Bibliothek der Fachhochschule.

In Kürze erhält die jetzt noch quer über den alten Grundriss des Schlosses fahrende Straßenbahn ein neues Gleisbett, das ganz nah am Eingang des Hotels „Mercure“ vorbeiführt. Dieses Hochhaus erhält vorerst eine Schonfrist. Aber die Stadtplaner hoffen auf den späteren Kontrast zwischen aufgebautem Stadtschloss und Interhotel-Architektur. Lange Zeit dürfte sich das Hochhaus dann nicht mehr halten, lautet ihre Hoffnung. Den Anstoß zum neuen, alten Schloss gab zwar schon nach der Wende ein Förderverein. Doch erst Fernsehmoderator Günter Jauch machte mit seiner Spende für das Fortunaportal des Stadtschlosses die berühmten Nägel mit Köpfen und bewirkte eine Pro-Schloss-Stimmung.

Gerade die Mäzene sind ein weiteres Erfolgsgeheimnis für Potsdam. Versandhausgründer Werner Otto finanzierte wesentlich den Wiederaufbau des Belvedere auf dem Pfingstberg. Auch die Firma Reemtsma und die bayerische Messerschmitt-Stiftung hinterließen deutliche Spuren im Stadtbild. Das Ufer des Heiligen Sees gegenüber vom Marmorpalais wurde zur bevorzugten Wohnadresse von kapitalkräftigen Eigentümern.

Auch die Potsdamer selbst veränderten ihre Einstellung zur Stadt, wobei die Bundesgartenschau 2001 eine entscheidende Rolle spielte. Viele Ideen wie die Ausgrabung des in den sechziger Jahren zugeschütteten Stadtkanals oder der angestrebte Wiederaufbau der gesprengten Garnisonkirche nahmen hier ihren Ausgangspunkt. Der Neue Markt mit dem restaurierten Kutschstall, der das Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte beherbergt, gehört bei Stadtführungen noch immer zu den Geheimtipps.

Höhepunkt in diesem Jahr ist die Eröffnung des neuen Theaters in der Schiffbauergasse im Herbst. Dann kann das Provisorium am Alten Markt weichen. Vielleicht ist bis dahin auch die Entscheidung über das Spaßbad am Brauhausberg gegenüber vom Hauptbahnhof gefallen. Der brasilianische Stararchitekt Oscar Niemeyer hatte für die Stadt einen Entwurf gefertigt, den sich die Stadt allerdings nicht leisten konnte. Das Wirtschaftsministerium, das den Großteil bezahlen sollte, winkte ab. Jetzt ist nur noch eine Sparvariante im Gespräch, die den Ansprüchen der Stadt aber nicht mehr genügen würde. Vielleicht sollte sich Potsdam auch hier auf seine eigenen Reserven verlassen – wie bei der Sanierung der historischen Straßenzüge.

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