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Brandenburg: Potzlow-Prozess: Gutachter bescheinigt Angeklagten verminderte Schuldfähigkeit

Psychiater stützte sich auf Aussagen der Beschuldigten über ihren Alkoholkonsum. Er hält eine eingeschränkte Steuerungsfähigkeit für möglich. Entscheidung über Strafmilderung liegt beim Gericht

Neuruppin. Im Prozess um den Mord an dem 16-jährigen Marinus Sch. hat der Gutachter, der Psychiater Alexander Böhle, den drei Angeklagten am Donnerstag Anhaltspunkte für verminderte Schuldfähigkeit attestiert. Er halte es für möglich, dass die Steuerungsfähigkeit der Brüder Marco und Marcel S. sowie von Sebastian F. zur Tatzeit durch erheblichen Alkoholkonsum eingeschränkt war, wie ein Sprecher des Potsdamer Landgerichts erläuterte. Das Urteil des Gutachters könnte sich für die Angeklagten strafmildernd auswirken. Sollten die Angeklagten tatsächlich so viel getrunken haben wie angegeben, sprach der Gutachter ihnen zwar nicht die Einsichtsfähigkeit ab, ihr Handeln zu beurteilen; wohl aber die Steuerungsfähigkeit, sich auch danach zu verhalten. Bei der Verlesung am Donnerstag war die Öffentlichkeit ausgeschlossen.

Den drei jungen Männer wird vorgeworfen, sie hätten im Sommer 2002 den 16-jährigen Marinus Sch. im uckermärkischen Potzlow auf bestialische Weise gefoltert und umgebracht. Ihnen sollen seine Frisur und Kleidung nicht gepasst haben. Der Hauptangeklagte Marcel S. hat laut Anklage Marinus’ Kopf auf der Kante eines Futtertrogs durch einen Fußtritt zertrümmert. Diesen so genannten Bordsteinkick sollen die jungen Männer aus dem Film „American History X“ gekannt haben. Die Leiche von Marinus war erst vier Monate später entdeckt worden, nachdem Marcel S. vor Freunden mit der Tat geprahlt hatte. Nach Einschätzung von Gerichtspräsident Helmut Krah ist es nicht unwahrscheinlich, dass das Gericht im Falle von Marco S. verminderte Schuldfähigkeit anerkennt. Im Fall von Marcel und Sebastian hänge die Entscheidung davon ab, wie die Richter den Alkoholkonsum der Angeklagten bewerten. Dabei müssten sie ihr gesamtes Verhalten in der Tatnacht berücksichtigen: „Wenn eine Tat sehr ausführlich geplant ist, lässt das auch Rückschlüsse auf die Zurechnungsfähigkeit zu.“

Die Anklage für alle drei jungen Männer lautet auf Mord. Nach dem Jugendstrafrecht droht Marcel und Sebastian F., die zur Tatzeit 17 waren, die Höchststrafe von zehn Jahren. Wie stark sich diese verringert, wenn das Gericht eine verminderte Schuldfähigkeit anerkennt, liegt in seinem Ermessen. Marco S., der nach dem Erwachsenenstrafrecht angeklagt ist, würde in diesem Fall von einer lebenslänglichen Strafe verschont. Das Höchstmaß läge bei 15 Jahren.

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