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Brandenburg: Schelter-Affäre: CDU-Telefonkette mit Abwarteschleife

Mitte Oktober hat Brandenburgs Justiz- und Europaminister Kurt Schelter (CDU) anlässlich seines einjährigen Dienstjubiläums ein Bekenntnis abgelegt. Der Rechtsstaat, so erklärte der Rechtshüter in seiner Zwischenbilanz, könne nicht jedem Recht geben, der sich im Recht fühle.

Mitte Oktober hat Brandenburgs Justiz- und Europaminister Kurt Schelter (CDU) anlässlich seines einjährigen Dienstjubiläums ein Bekenntnis abgelegt. Der Rechtsstaat, so erklärte der Rechtshüter in seiner Zwischenbilanz, könne nicht jedem Recht geben, der sich im Recht fühle. "Gerechtigkeit ist mit subjektiven Maßstäben nicht zu messen", ließ Schelter der Öffentlichkeit via Internet mitteilen. Rechtssicherheit sei die unverzichtbare Basis für Rechtsfrieden. Zwei Wochen später ist der Rechtsfrieden in der Mark dahin: Schelters Richterschaft begehrt auf gegen einen "unzulässigen Eingriff" des Justizministeriums in die richterliche Unabhängigkeit. Sie erhebt damit den schlimmsten Vorwurf, den Richter einem Justizminister machen können.

Das Büro Schelter hatte von einer für diesen Fall gar nicht zuständigen Richterin in Neuruppin verlangt, einer Angelegenheit nachzugehen, die dem Anwalt (und früheren Berliner Kultur-Staatssekretär) Lutz von Pufendorf (CDU) gerade dringlich war: Pufendorf wollte einen Mandaten aus der Haft freibekommen und diesem Anliegen über den inoffiziellen Amigo-Dienstweg (Pufendorf-Schönbohm-Schelter) Nachdruck verleihen. Die CDU-Handy-Connection funktionierte, die Gewaltenteilung nicht.

In Sachsen musste der CDU-Minister Steffen Heitmann im September zurücktreten, weil er Parteifreunden über staatsanwaltschaftliche Ermittlungen gegen einen Görlitzer CDU-Politiker berichtet hatte. Achtzig Verwaltungsrichter wollten deshalb desertieren. Ihr Vorwurf: Eingriffe in die richterliche Unabhängigkeit. Ein Ermittlungsverfahren gegen Heitmann - wegen der Verletzung von Dienstgeheimnissen - wurde schließlich eingestellt; der Minister war bereits zurücktreten. In Thüringen machen derzeit die Arbeitsrichter - Hand in Hand mit dem Hauptrichterrat - Front gegen ihren Justizminister. Andreas Birkmann (CDU) soll Akten für einen Prozess um Subventionsbetrug gegen einen ehemaligen CD-Fabrikanten zurückgehalten haben. Der Vorwurf der Richter in diesem Fall: massive Behinderung der Justiz.

In allen drei Fällen geht es um Einzelfälle, die durch gezielte Einflussnahmen der ministeriellen Spitzen beschleunigt oder verzögert werden sollten. In allen drei Fällen geht es um subjektive Maßstäbe, denen sich Minister unterordneten: Sie alle wollten (Partei-) Kameraden helfen oder der gerechten Sache dienen. Das ist ehrenwert und erklärt, weshalb die drei Minister auf unschuldig schwören, weshalb sie Nebenaspekte in den Vordergrund stellen. Doch so charakterlich sauber das (partei-)menschliche Verhalten scheinen mag, so verwaschen ist das Amtsverständnis der Würdenträger.

In Brandenburg stürzte zuletzt Kultur- und Wissenschaftsminister Wolfgang Hackel (CDU) über diese Klippe: Auch er konnte - oder wollte - das Private nicht vom Politischen trennen. Er wollte zugleich Unternehmer und Spitzenpolitiker sein. Und musste sich letztlich für das Erste entscheiden. Nun taktiert Schelter - wie vor ihm Hackel, Heitmann und Birkmann. Augen zu und durch, so lautet auch seine Devise. Landesvater Manfred Stolpe (SPD) schaut dem Treiben seines Koalitionspartners noch zu, CDU-Landeschef (und CDU-Telefonkettenmitglied) Schönbohm verteidigt Schelter in strammer Haltung. Am besten wäre es jedoch, der Justizminister würde sagen: Ich habe einen Fehler gemacht. Nur so kann das Vertrauen in die Unabhängigkeit der Justiz wieder hergestellt werden.

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