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Brandenburg: „Schwarze Liste“ bei Antenne Brandenburg?

Eine Rentnerin soll bei dem RBB-Sender nicht mehr gewinnen dürfen – offenbar nicht als einzige

Von Michael Mara

und Thorsten Metzner

Potsdam. Die Rentnerin Gerda Friedrich aus Treuenbrietzen ist empört: Name und Adresse der regelmäßigen Teilnehmerin an Gewinnspielen stehen auf einer ominösen Liste von „Antenne Brandenburg“. Allerdings mit dem fett gedruckten Zusatz „nicht gewinnen lassen“. Gerda Friedrich mag den Landessender des Rundfunks Berlin-Brandenburg (RBB). Sie ist Stammhörerin, hat viel Zeit und beteiligte sich seit Jahren an Gewinnspielen. Sie gewann einmal eine Reise nach Venedig, danach Kleinpreise wie CD’s, Bücher, Sender-Souvenirs. „Im August 2002 war plötzlich Schluss“, erinnert sich die Rentnerin. Damals sei ihr bei einem Gewinnspiel am Telefon gesagt worden: „Lassen Sie mal andere gewinnen“. Sie habe es danach noch öfter versucht – vergeblich. Dass ihr Lieblingssender sie so behandele, sei „ungezogen“.

Der Fall und die merkwürdige Liste bringen Antenne-Chefredakteur Christoph Singelnstein in Erklärungsnot. Denn, so der dem Rundfunkrat angehörende Landtagsabgeordnete Burkhard Schöps (CDU), die Rechtslage sei eindeutig: „Wer sich beteiligt, muss eine Gewinnchance haben.“ Auch Justizministerin Barbara Richstein (CDU) fände es anstößig, „wenn öffentlich-rechtliche Sender bei Gewinnspielen tatsächlich von vornherein festlegen sollten, wer nicht gewinnen darf – schon wegen des Gleichheitsgrundsatzes“.

Auf der Liste, die dem Tagesspiegel aus dem Sender zugespielt wurde, stehen 127 Namen und Adressen, vor allem von Brandenburgern und Berlinern. Dass sie echt ist, hat Singelnstein inzwischen bestätigt: Es gebe diese Liste „ein einziges Mal im Computer der Kollegin, die die Gewinne verschickt“. Es sei, behauptet er, die „übliche Adressenliste der Gewinner“. Und der dort vermerkte Eintrag bei Frau Friedrich „nicht gewinnen lassen“? Singelnstein hat dafür keine Erklärung. Er kann auch nicht erklären, warum das dem Tagesspiegel vorliegende Exemplar mit „Schwarze Gewinnerliste“ überschrieben ist. Auf der ansonsten identischen Liste im Sender-Computer finde sich das Wort „schwarze“ nicht. Wurde es, nachdem der Sender von den Recherchen erfuhr, gelöscht? Er könne sich das nicht vorstellen, sagt Singelnstein. Und warum finden sich auf der angeblichen Gewinnerliste nur 127 Namen, obwohl der Sender tausende Gewinne verschickt? Singelnstein sagt, es handele sich um einen „Auszug“. Merkwürdig nur, dass es sich um eine abgeschlossene Liste mit Namen von A wie Apitius bis Z wie Zierepp handelt.

Merkwürdig auch, dass viele der angeblichen „Gewinner“ nach eigenen Angaben schon lange nichts mehr gewonnen haben, aber auf der Liste mit „Stand 1. Dezember“ namentlich verzeichnet sind. So sagt etwa die Potsdamerin Christine Lautner, ihr sei bereits seit längerem aufgefallen, dass sie bei Antenne nicht mehr gewinne. Überhaupt nicht überrascht darüber, dass sie auf einer „schwarzen Liste“ stehe, ist Maria Hüter (Name geändert): Sie gehört zu den „Spieler-Profis“, die sich an allen Gewinnspielen der Sender im Großraum Berlin beteiligen. Fast alle ihre Urlaubsreisen und andere Dinge hat sie auf diese Weise gewonnen. Aber: Bei Antenne Brandenburg habe es seit anderthalb Jahren nicht mehr geklappt. Ihr sei am Telefon gesagt worden, sie haben zwar die richtige Lösung, aber den Preis einer Zeppelin-Fahrt bekomme diesmal ein anderer, „weil Sie schon so viel gewonnen haben“. Trotzdem steht sie auf der angeblichen „Gewinnerliste“. Merkwürdig schließlich, dass Hüter, seit sie Decknamen ihrer Freunde und Bekannten benutzt, wieder gewinnt. Auf der ominösen Liste sind diese Namen nicht verzeichnet. Kein Wunder, Frau Hüter wechselt sie ständig. „Wenn der Sender trickst, tue ich das auch.“ Damit, dass Privatsender „Vielgewinnler“ ausgrenzten, habe sie kein Problem, sagt Frau Hüter. „Die können eigene Regeln bestimmen.“ Die öffentlich-rechtlichen Sender aber bezahle sie mit ihren Gebühren mit. Sie investiere in Porto und Telefon und solle bestraft werden, weil sie „fitter und cleverer als andere“ sei. Auch andere Viel-Spieler, die bei Antenne unter ihren richtigen Namen nicht mehr gewinnen, benutzen nach eigenen Angaben inzwischen Decknamen.

Singelnstein bestreitet Ungereimtheiten im Zusammenhang mit der ominösen Liste nicht, bleibt aber dabei: „Ich kenne keine schwarzen Listen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es sie ohne mein Wissen gibt.“ Aber hundertprozentig ausschließen will er es nicht. Er hat jetzt eine interne Untersuchung veranlasst. Für den Medienpolitiker Schöps bestehen kaum Zweifel, dass es sich um eine „schwarze Liste“ handelt. Allein der Fall von Frau Friedrich, die laut Antenne-Liste „nicht gewinnen darf“, sei ein Skandal.

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