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Brandenburg: Sorben: "Witaj" für sechs Schulanfänger

"Witaj" steht auf dem Spruchband zur Begrüßung der Schulanfänger in der Grundschule Heinersbrück in der Nähe von Cottbus. Das "Willkommen" gilt sechs Kindern, die hier das ABC sowohl in Deutsch als auch in Sorbisch lernen.

"Witaj" steht auf dem Spruchband zur Begrüßung der Schulanfänger in der Grundschule Heinersbrück in der Nähe von Cottbus. Das "Willkommen" gilt sechs Kindern, die hier das ABC sowohl in Deutsch als auch in Sorbisch lernen. Heinersbrück in Sichtweite der Braunkohlentagebau Cottbus-Nord und Jänschwalde versteht sich als einzige sorbische Grundschule Brandenburgs. Hier gehört der Unterricht in der Sprache der anerkannten slawischen Minderheit zum festen Unterrichtsplan für alle 60 Schüler.

Zwei bis drei Stunden pro Woche sprechen, schreiben und lesen sie sorbisch, das dem Polnischen, Tschechischen und Russischen ähnelt. Außerdem werden die Sitten und Gebräuche der Sorben wachgehalten. Mehrere Zirkel treffen sich in der Heimatstube zum Nähen, Sticken, Kochen und Backen oder Tanzen. Andere Schulen im sorbischen Siedlungsgebiet wie in Cottbus, Sielow, Schleife und Peitz bieten zwar ebenfalls einen Sorbisch-Unterricht an, aber daran nehmen längst nicht alle Schüler teil.

Die lediglich sechs neuen Kinder in Heinersbrück gefährden nach Auskunft des Bildungsministeriums nicht den Fortbestand der Schule. "In unserem Modell der kleinen Grundschulen müssen zwei Jahrgänge zusammen auf mindestens 15 Schüler kommen", sagt Ministeriumssprecher Martin Gorholt. Das sei in Heinersbrück der Fall. In ausgewählten kleinen Grundschulen werden mehrere Jahrgänge wie in alten Zeiten in einem Raum unterrichtet, um vor allem auf dem Land weitere Schulschließungen zu vermeiden.

Für ältere Jahrgänge gilt diese Ausnahmeregelung nicht. Das müssen derzeit gerade Schüler und Lehrer an der sorbischen Mittelschule Crostwitz im benachbarten Sachsen erfahren. Weil sich nur 17 Kinder für die fünfte Klasse angemeldet hatten, verweigerte das Kultusministerium in Dresden die Genehmigung und verwies die Kinder zur Schule im Nachbarort. Daraufhin griffen die betroffenen Crostwitzer zur Selbsthilfe und organisierten den Unterricht mit Hilfe älterer Lehrer in Eigenregie. Der zuständige Minister drohte seinerseits drastische Schritte an und untersagte den Zutritt zum Schulgebäude. Nun müssen die Schüler sogar damit rechnen, das gesamte Schuljahr zu wiederholen. Die Aushilfslehrer seien nicht zur Zensurenvergabe berechtigt. Ohne Noten sei aber ein ordnungsgemäßer Unterricht nicht möglich, hieß es aus dem Ministerium.

Jurij Wuschansky, Sprecher der Sorben-Organisation Domowina, sieht "unruhige Zeiten" auf die Sorben zukommen. Oberste Priorität hätten Erhaltung und Pflege der sorbischen Sprache. Offiziell wird zwar noch von rund 60 000 Sorben in Deutschland gesprochen. Davon leben 40 000 in der sächsischen Oberlausitz und 20 000 in der brandenburgischen Niederlausitz. Doch gerade in Brandenburg beherrschen nur noch wenige Menschen im Alltagsgebrauch die sorbische Sprache. "Wir vergleichen uns mit einer Eisscholle, die langsam schmilzt", beschreibt der Direktor des Sorbischen Instituts, Dietrich Scholze die Situation der Volksgruppe. Deshalb gilt die größte Sorge der Sprache. Ein Anfang sind die sorbischen "Sprachkurse" an 240 Kindertagesstätten in der Nieder- und Oberlausitz. Auch an zwei Gymnasien in Cottbus und Bautzen wird sorbischer Unterricht angeboten. Viele Schüler betrachten ihn nicht nur als Heimatverbundenheit, sondern auch als Sprachbrücke zu den Nachbarn in Osteuropa.

Die Sorben, die sich in ihrer eigenen Sprache als Wenden bezeichnen, sind vor rund 1700 Jahren über die Neiße ins heutige Siedlungsgebiet eingewandert. Heute wohnen sie in einem rund 40 Kilometer breiten Streifen zwischen dem Spreewald und der deutsch-tschechischen Grenze. Zweisprachige Orts- und andere Hinweisschilder künden von ihrer Heimat. In der NS-Diktatur war die Ausübung sorbischer Sitten und Gebräuche verboten, während die Volksgruppe zu DDR-Zeiten als Minderheit anerkannt worden war.

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