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Brandenburg: Tiefflieger nehmen Kurs aufs Bombodrom Verteidigungsminister Struck entscheidet: Umstrittener Truppenübungsplatz soll militärisch genutzt werden

Wittstock. Geht es nach Bundesverteidigungsminister Peter Struck (SPD), donnern nach den Sommerferien die Tornados der Bundeswehr über die Kyritz-Ruppiner Heide in Nordbrandenburg.

Wittstock. Geht es nach Bundesverteidigungsminister Peter Struck (SPD), donnern nach den Sommerferien die Tornados der Bundeswehr über die Kyritz-Ruppiner Heide in Nordbrandenburg. Struck entschied sich am Mittwoch für eine künftige militärische Nutzung des so genannten „Bombodroms“ zwischen Wittstock, Rheinsberg und Neuruppin. Das fast 12 000 Hektar große Gelände sei unverzichtbar, um die „Einsatzbereitschaft im Rahmen kurzfristig abrufbarer Kriseneinsätze aufrechtzuerhalten“, erklärte Struck. Die seit Jahren für eine touristische Zukunft des 1950 von der Sowjetarmee eingerichteten Übungsplatzes kämpfende Bürgerinitiative „Freie Heide“ kündigte im Gegenzug gerichtliche Klagen und weitere Proteste an.

Die Bundeswehr plant in dem Areal östlich der Autobahn Berlin–Hamburg jährlich bis zu 1700 Tiefflug-Einsätze mit jeweils mehreren Maschinen. Diese sollen auf ihren Platzrunden das Überfliegen von Ortschaften und der nahen Mecklenburgischen Seenplatte vermeiden. An Wochenenden und Feiertagen, während der Sommerferien in Brandenburg sowie zwischen Weihnachten und Neujahr soll Ruhe im Revier herrschen, ebenso während einer zweistündigen Mittagspause. Nachtflüge gehören jedoch zum Übungsprogramm. Als Munition werden Übungsgranaten verwendet, die beim Aufschlagen auf den Boden nicht explodieren.

Die Einschränkungen des Übungsbetriebes schrieb sich Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) gestern als Verdienst zugute. Nach Gesprächen mit der Bürgerinitiative habe er sich beim Verteidigungsminister für eine möglichst zurückhaltende Nutzung des „Luft-Boden-Schießplatzes“ – so die offizielle Bezeichnung – eingesetzt, erklärte ein Regierungssprecher. Platzeck hatte sich bis 1996 aktiv an den Protesten der Bürgerinitiative beteiligt, zog sich dann aber auf eine neutrale Haltung zurück.

Der Sprecher der „Freien Heide“, Pfarrer Benedikt Schirge, kritisierte die Entscheidung des Verteidigungsministers heftig. Mehrere Anrainergemeinden würden unmittelbar nach Zustellung der Entscheidung Klagen dagegen einreichen. Die Jets könnten dann möglicherweise erst nach einer Gerichtsentscheidung starten.

Freude über Strucks Votum herrschte dagegen bei Wittstocks Bürgermeister Lutz Scheidemann (FDP). Er verwies auf eine Zusage des Verteidigungsministeriums, im Falle einer militärischen Nutzung der Heide in der Stadt eine Garnison für rund 800 Soldaten einzurichten. „Das wäre für unsere von hoher Arbeitslosigkeit und Abwanderung geprägte Gegend ein Segen“, sagte er. Zurzeit stünden in der 12 000 Einwohner zählenden Stadt 800 Wohnungen leer. „Von den erwarteten 200 bis 250 Berufssoldaten könnten 150 in leere Wohnungen ziehen“, rechnete der Bürgermeister. Außerdem brächte die Garnison Kaufkraft, Arbeit für Handwerker und Dienstleister sowie rund 150 zivile Jobs.

Einen Verlust an Arbeitsplätzen befürchtet dagegen die SPD-PDS-Regierung von Mecklenburg-Vorpommern im und um den Nationalpark Müritz. Er liegt in der Ein- und Ausflugsschneise der Tornados „Wir können es uns weder leisten, Investitionen in den Sand zu setzen, noch können wir auf Urlauber verzichten“, erklärte der stellvertretende Ministerpräsident und Umweltminister Wolfgang Methling (PDS) und kündigte ebenfalls juristischen Widerstand an.

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