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Nach der Tat rekonstruieren Polizisten die Todesschüsse von Schönfließ. (Archiv)

© dpa

Tod von Dennis J.: Schönfließ-Prozess: Anklage fordert Gefängnis für Polizisten

Im Prozess um den tödlichen Schuss eines Berliner Polizisten auf einen Kleinkriminellen im brandenburgischen Schönfließ hat die Anklage drei Jahre und sechs Monate Gefängnisstrafe gefordert.

Im Prozess um den tödlichen Schuss auf einen Kleinkriminellen hat die Staatsanwaltschaft eine Haftstrafe von dreieinhalb Jahren wegen Totschlags im minderschweren Fall für den Berliner Polizisten gefordert. Die Verteidiger des Zivilfahnders Reinhard R. (36) plädierten vor der Schwurgerichtskammer des Neuruppiner Landgerichts dagegen auf Notwehr und forderten für ihren Mandanten einen Freispruch. Für die beiden mitangeklagten Beamten die sich wegen versuchter Strafvereitelung im Amt verantworten müssen, beantragte Staatsanwalt Kai Klement Haftstrafen von neun Monaten, die für drei Jahre auf Bewährung ausgesetzt werden können. Auch hier plädierten die Verteidiger auf Freispruch. Am Sonnabend will das Gericht sein Urteil in dem Fall verkünden, der deutschlandweit Aufsehen erregt hat.

Es geht um das Geschehen am Silvesterabend 2008 im brandenburgischen Schönfließ, wenige Kilometer hinter der nördlichen Berliner Stadtgrenze. Drei Zivilfahnder waren dem mit mehreren Haftbefehlen gesuchten Dennis J. auf der Spur. Der 26-Jährige saß in einer gestohlenen Jaguar-Limousine und wartete auf seine Freundin. Bei dem Versuch einer Festnahme starb Dennis J. an einem Lungensteckschuss. R. stand 1,50 Meter entfernt und schoss mit seiner Dienstwaffe durch die Türscheibe. Staatsanwalt Kai Clement fand in seinem Plädoyer deutliche Worte für den Hauptangeklagten R. „Er hat aufgrund seiner übersteigerten Motivation jegliches Maß verloren. Der Jagdtrieb ist mit ihm durchgegangen.“ Aus Sicht der Anklage waren die acht Schüsse keinesfalls gerechtfertigt und unverhältnismäßig, das habe R. als erfolgreicher Zivilfahnder mit überdurchschnittlicher Festnahmequote wissen müssen. Der Kommissar habe nicht aus Notwehr geschossen, sondern aus übermäßigem Verfolgerehrgeiz, um den gesuchten Mann an der Flucht zu hindern. Dabei habe er dessen Tod in Kauf genommen. „Das war eine wilde Ballerei in einem Wohngebiet.“

In einem Punkt wich Klement nach acht Verhandlungstagen von seiner ursprünglichen Anklageschrift ab. Für den Staatsanwalt steht inzwischen nach den Aussagen mehreren Gutachter fest, dass Dennis J. bereits losgefahren war und den Wagen gegen eine Mauer gesetzt hatte.

Verteidiger Walter Venedey entwarf dagegen ein Notwehrszenario: Der per Haftbefehl gesuchte Intensivtäter sei mit der gestohlenen Jaguar-Limousine auf die Polizisten R. und Heinz S. zugefahren. Beim Zurücksetzen des Autos sei S. gestürzt, der Hauptangeklagte sei von einem Angriff ausgegangen, habe nicht gesehen, ob der Kollege neben oder unter dem Auto lag. Der Neuköllner sei zudem mit einem Messer und zwei Reizgasflaschen bewaffnet gewesen und habe sich bereits zuvor mit Gas gegen eine Festnahme gewehrt. „Wo ist der Unterschied, ob ich mir mit der Sprayflasche den Weg frei mache oder mit dem Auto. Das ist ein Einsatz des Fahrzeugs als Waffe“, sagte Venedey. Zumal J. aufgeputscht war und erhebliche Mengen Kokain konsumiert hatte.

Den beiden mitangeklagten Beamten, die den Kollegen R. nach dem Vorfall gedeckt haben sollen, warf der Staatsanwalt vor, gelogen zu haben. Dreimal beklagte Clement in seinem mehr als eine Stunden dauernden Plädoyer den Korpsgeist unter den Beamten, was bei hochrangigen Vertretern der Berliner Polizei, die den Prozess beobachten, Unmut auslöste. Die beiden Fahnder Heinz S. und Olaf B. haben sich bislang darauf berufen, wegen heftiger Silvesterknallerei keine Schüsse bemerkt zu haben.

Das Gericht steht jetzt vor der Aufgabe eine Tat zu bewerten, von der man nicht weiß, „was genau passiert ist“, wie Jan Stübing als Anwalt der Hinterbliebenen sagte. „Dass alles ist zu ihren Gunsten auszulegen. Aber das Leben wird sie richten.“ Alexander Fröhlich

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