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Brandenburg: Viele Zeugen verstärken die Zweifel an der Tat-Version des Angeklagten

Seit nunmehr sieben Verhandlungstagen befasst sich das Frankfurter Landgericht mit Stefan J., der den Mord an der zwölfjährigen Ulrike und ihre Vergewaltigung ebenso gestanden hat wie einen Autodiebstahl und Brandstiftung.

Seit nunmehr sieben Verhandlungstagen befasst sich das Frankfurter Landgericht mit Stefan J., der den Mord an der zwölfjährigen Ulrike und ihre Vergewaltigung ebenso gestanden hat wie einen Autodiebstahl und Brandstiftung. Dabei kreist letztlich alles um die eine Frage: Warum? Warum musste Ulrike qualvoll sterben? Allmählich scheinen die Details ein Gesamtbild zu ergeben. Zwar bleibt bis zum für nächste Woche erwarteten Urteil alles offen. Doch am Montagabend fügte die Ex-Freundin ein wohl entscheidendes Teil ins Puzzle. Vier Jahre sei sie mit J. zusammen gewesen, wobei er die meiste Zeit wegen Autodiebstählen im Gefängnis saß. Als er draußen war, habe er sich mehr mit ihrer damals siebenjährigen Schwester beschäftigt als mit ihr selbst, klagte die Freundin. Als die Staatsanwältin sie nach Ähnlichkeiten mit Ulrike fragte, brach sie in Tränen aus: "Bis auf die Nase war alles gleich."

Ulrikes Eltern sind längst überzeugt, dass ihr Kind keinem tragischen Zufall zum Opfer fiel. Dabei klang Stefan J.s Geschichte, er sei dem Mädchen zufällig begegnet, zunächst halbwegs plausibel: wie er ein Auto klaute, Alkohol trank, versehentlich die radelnde Ulrike anfuhr und wütend wurde, weil sie sich nach dem Sturz gegen seine Hilfe wehrte. Schwerer zu verstehen, warum jemand vor Wut ein widerspenstiges Unfallopfer - ein Kind - ins gestohlene Auto zerrt, mit ihm herumfährt, es vergewaltigt und erdrosselt. Diesen Punkt - wie normal Stefan J. ist - werden Gutachter noch klären. Was seine Geschichte betraf, glaubte man schnell zu wissen, was stimmte und was nicht. Denn der 25-Jährige wirkt nicht wie einer, der in einem Geflecht aus Halb- und Unwahrheiten den Überblick behält. So sagte er auf die Frage, warum er das Auto abbrannte: "Weil mir die anderen früher im Heim beigebracht haben, dass man keine Spuren hinterlässt." Warum er dann aber Ulrikes Tasche im Auto gelassen habe, erkundigte sich Gregor Gysi, der Anwalt von Ulrikes Eltern. "Das waren ja nicht meine Spuren", erwiderte J. Dass er seinen Alkoholkonsum jenes Tages übertrieben schilderte, mochte auf einem Tipp seiner Verteidiger beruhen. So wusste J. zum Beispiel angeblich noch genau, dass er auf der Fahrt durch das winzige Gielsdorf die zweite Bierdose geleert und Schnaps getrunken habe. Das hatte er zuvor nie erwähnt. Es sei ihm wieder eingefallen, sagte er vor Gericht. Auf Zeugen hatte er damals allerdings nüchtern gewirkt. Und der Besitzer des gestohlenen VW Polo widersprach gestern J.s Behauptung, im Auto habe genug Geld für mehrere Bierdosen gelegen.

Ein Bekannter von J. erzählte, er habe ihn im Februar ein paar Tage beherbergt. Eine Woche vor der Tat. In Eberswalde, wo J. nach seinen Aussagen lange nicht mehr war. So hätte er doch Gelegenheit gehabt, Ulrikes Weg zum Handballtraining auszuspionieren und sie abzupassen. Dazu passt auch eine Zeugenbeschreibung der Bremsspur im Sand: "Das Auto muss dem Fahrrad den Weg abgeschnitten haben." Zwei Gutachter sahen das genauso.

Am Montagabend sagte eine junge Frau im Zeugenstand, sie habe J. zwei Tage nach der Tat gesehen. Er habe zwischen den Polizeihundertschaften gestanden, die den Fundort von Ulrikes Fahrrad absuchten. Er habe ruhig gewirkt, sogar "gegrinst". Natürlich beweist das nichts. Aber es erinnert an die Brandstifter, die so gern dem Feuerwehreinsatz zuschauen. Auf Antrag der Verteidigung musste die Zeugin anschließend schwören, dass ihre Aussage stimmt. Sie zögerte keinen Augenblick. Viel ist nun nicht mehr übrig von dem, was Stefan J. dem Gericht zu Prozessbeginn erzählt hat.

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