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Brandenburg: Wer will, kriegt die Dose immer noch ohne Pfand

Auch nach 100 Tagen halten sich nicht alle Händler an die Verordnung. Zu befürchten haben sie wenig

Mahnaz Vaziri stöhnt. Seit dem 1. Januar ist in ihrem Kiosk nahe der Potsdamer Straße in Schöneberg der Umsatz an Dosen massiv zurückgegangen. Immerhin seien ein paar der Biertrinker auf Sechserträger umgestiegen, erzählt die Frau. Was sie offenbar nicht weiß: Auch dafür muss sie die 25 Cent Pfand pro Flasche berechnen. Die Szene ist nicht untypisch. 100 Tage nach Einführung des Trittinschen Dosenpfands herrscht auf dem Getränkemarkt das große Chaos: Die Verbraucher kaufen nicht mehr, viele kleine Einzelhändler sind überfordert, manche ignorieren die Regelungen einfach.

Anfangs habe er die 25 Cent berechnet, erzählt der Verkäufer einer Dönerbude in Schöneberg. Dann hätten die Leute aber keine Dosen mehr gekauft. Mittlerweile muss bei ihm niemand mehr das Pfand zahlen. An einem Kiosk in Kreuzberg kommt der Biertrinker ebenfalls ohne Pfand weg, die Verkäuferin behauptet einfach, sie müsse erst ab Oktober erheben. Andere Läden schlagen den Betrag nur auf Nachfrage auf.

Kontrollen müssen sie kaum befürchten. Dem zuständigen Referat der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung hatte man für die Kontrollen anfangs 20 Mitarbeiter versprochen, inzwischen wurden die vorhandenen vier sogar auf zwei reduziert. Der Leiter Carlo Zandonella sieht das gelassen: „Mehr Leute brauchen wir nicht. Wir kontrollieren nur, wenn wir Hinweise bekommen.“ 70 Läden haben sie bisher überprüft – von 7000 Verkaufsstellen in der Stadt. Bei einem Drittel bestätigte sich der Verdacht. Einem kleinen Laden drohen im Wiederholungsfall nach Zandonellas Schätzung 2500 Euro Geldbuße. Bisher sei aber noch keine verhängt worden.

Hannes Fürst hat einen kleinen Laden an der Kreuzberger Großbeerenstraße. Er gehorcht der Pfandpflicht – und verliert dabei: „Ich habe seit Januar 600 Euro weniger Umsatz im Monat“, sagt er schulterzuckend. Fürst ist auf Einweg-Saftflaschen ausgewichen, die noch von der Pfandpflicht ausgenommen sind. Damit ließe sich aber wenig verdienen, klagt er. Und am 1. Oktober werden auch die pfandpflichtig. Fürst überlegt nun, wieder auf Mehrweg umzusteigen.

Ebenfalls ab Oktober, so ist es geplant, soll es möglich sein, das Pfand in jedem Laden einzulösen. Was im Interesse der Kunden ist, macht aber vielen Einzelhändlern Angst. Gerade kleine Händler fürchten, dann mit Dosen überschwemmt zu werden, die an Tankstellen oder in Supermärkten gekauft wurden. Wie der Einzelhandel die zurückgegebenen Dosen und Flaschen wieder los wird, das ist auch jetzt nicht geregelt. Großhändler, die selber abholen, sind die Ausnahme. BSR und Alba bieten den Service zwar an, aber gebührenpflichtig. Metro wiederum nimmt gratis zurück, holt aber nicht ab.

Um zehn Prozent ist der Getränkeverkauf bundesweit zurückgegangen. „In Berlin mit seinen vielen Kiosken wahrscheinlich noch mehr“, schätzt der Sprecher des Einzelhandelsverbandes, Jan Holzweißig. Rückgabe nur dort, wo gekauft wurde, das scheint viele Kunden abzuschrecken. Die Realität bestätigt das Misstrauen, denn viele bleiben am Ende auf den Kosten sitzen. Nach Informationen der Verbraucherzentrale wird etwa ein Drittel der Pfandbons nicht eingelöst.

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