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Brandenburg: Wien macht es vor: Reich und glücklich auch ohne Fusion

Platzeck studiert die Zusammenarbeit zwischen Österreichs Hauptstadt und ihrem Umland

Potsdam - Es sieht so aus, als wolle sich Matthias Platzeck (SPD) auch dem medialen Rummel entziehen, der an seine bitterste Niederlage erinnert: Brandenburgs Ministerpräsident ist am Dienstag zu einer dreitägigen Reise nach Wien und Niederösterreich aufgebrochen. Genau ein Jahr zuvor, auf den Tag genau, hatte er nach nur 143 Tagen seinen Rücktritt als SPD-Bundeschef verkündet. „Das Timing ist Zufall“, sagt Klaus Ness, der SPD-Generalsekretär. Kein Zufall ist aber das Reiseziel. Im Gegenteil, der ungewöhnliche Ausflug Platzecks, der als SPD-Landeschef reist – das erspart Debatten über Polittourismus auf Steuerzahlerkosten ebenso wie Abstimmungen mit dem CDU-Koalitionspartner –, ist strategisch angelegt. So war es schon einmal 2004, als Platzeck wenige Monate vor der Landtagswahl nach Finnland aufbrach und nach der Rückkehr das skandinavische Wirtschafts- und Bildungswunder als Modell für Brandenburg ausrief. Warum jetzt ausgerechnet Österreich? „Die Ähnlichkeiten beider Hauptstadtregionen sind frappierend: Hier wie dort umschließt ein Bundesland komplett die Metropole. Niederösterreich hat ein ähnliches Gefälle zwischen Umland und Peripherie, eine lange Grenze nach Osteuropa wie Brandenburg. Der Großflughafen in Wien ist eine Ost-West–Drehscheibe, so wie es Schönefeld einmal werden soll“, erklärt Ness. Er fügt einen Satz hinzu, der aufhorchen lässt: „Wien und Niederösterreich haben trotz einer Landesgrenze Erfolg. Davon können wir lernen.“

Trotz Landesgrenze, will heißen: Es geht auch ohne Fusion, vielleicht sogar besser. So oder ähnlich werden es Wiens Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) und der niederösterreichische Landeshauptmann (Ministerpräsident) Erwin Pröll (ÖVP) dem Bildungsreisenden aus Potsdam sicher erklären. Tatsächlich käme dort niemand auf die Idee, Stadtstaat und Umland zu fusionieren. Niederösterreich hat sich in den letzten zwanzig Jahren von Wien sogar abgenabelt. Kooperation ja, aber die Landeshauptstadt wurde 1986 aus Wien ins ruhige, 50 Kilometer entfernte Sankt Pölten verlegt.

Worum es bei der Reise geht, ist denn auch in einem Beitrag des Platzeck-Vordenkers Tobias Dürr für das SPD-Blatt „Perspektive 21“ nachzulesen. Dürr, der als „geistiger Vater“ der 2005 vom Regierungschef eingeleitetenNeuausrichtung der Landespolitik gilt und Platzeck begleitet, schreibt etwa: So wie Brandenburg „aus der hauptstädtischen Perspektive oft nur als amorphes Hinterland“ wahrgenommen wurde, habe auch Niederösterreich lange als „gestaltloses Land“ um Wien gegolten. „Niederösterreich wurde nicht als eigenständiges Land gesehen, sondern nur als Ergänzungsraum und Erholungsregion für Großstädter.“ Nunmehr, so der Platzeck-Berater, setze Brandenburg auf „eine bewusste Politik der kooperativen, dynamischen Eigenständigkeit“. Kein Wort mehr von einer auch nur langfristig angelegten Fusion mit Berlin – die die Brandenburger ablehnen wie eh und je.

Für die PDS-Opposition, die bereits 1996 vor der gescheiterten Fusionsvolksabstimmung Niederösterreich als „Modell“ besucht hatte, ist das Kalkül klar: „Die SPD sucht eine Legitimation, eine Begründung, dass man die Fusion als Ziel aufgegeben hat“, sagt der PDS-Wirtschaftsexperte Ralf Christophers.

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