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Radfahrer: Senat holt Radler auf die Straße - vor fünf Jahren

Vor fünf Jahren: 30 Kilometer mehr Radspuren soll es bis 2011 geben. So wollte es der Senat. Eine Millioneninvestition für mehr Sicherheit – zulasten des Autofahrer. Was Jörn Hasselmann darüber schrieb.

Der Senat schafft Raum für Radfahrer: Dieses und nächstes Jahr werden auf Hauptverkehrs- und Einkaufsstraßen Radspuren auf der Fahrbahn markiert. Denn die sind deutlich sicherer als die herkömmlichen Radwege auf dem Gehsteig. Das bestätigen der Fahrradclub ADFC und die Polizei gleichermaßen. Die Aktion geht bewusst zulasten der Autofahrer: Zum Teil fallen Fahrspuren und Parkplätze weg.

Auf der Fahrbahn, urteilen Fachleute, seien Radfahrer besser zu sehen als hinter parkenden Autos. Und vor allem durch Rechtsabbieger gab es immer wieder zum Teil tödliche Unfälle. Seit 2002 wurde das Radspurnetz in Berlin um mehr als das dreifache auf 125 Kilometer vergrößert. Nach Expertenmeinung eine Ursache dafür, dass sich im gleichen Zeitraum die Zahl der getöteten Radfahrer halbiert hat: von 18 auf 9. Und dies, obwohl in diesem Zeitraum die Zahl der Radfahrer stark gestiegen ist. Nach Angaben des Senats werden in Berlin etwa 13 Prozent aller Wege mit dem Fahrrad zurückgelegt, in der Innenstadt sogar bis zu 25 Prozent.

Mit mehr und besseren Wegen sollen nun noch mehr Menschen aufs Rad umsteigen: 2010 und 2011 werden etwa 30 Kilometer neue Radspuren gebaut. Der Chefplaner der Senatsverkehrsverwaltung, Heribert Guggenthaler, nennt Beispiele: in der Warschauer Straße in Friedrichshain, der Turmstraße in Moabit, der Karl-Marx-Straße in Neukölln, der Müllerstraße in Wedding und der Schloßstraße in Steglitz.

In der Warschauer Straße fallen fast alle Stellplätze weg, „anders ist die Radspur nicht unterzubringen“, sagt Bezirksbürgermeister Franz Schulz. Finanziert wird das Vorhaben 2011 (auf ganzer Länge von Warschauer Brücke bis Frankfurter Tor) aus Mitteln der Städtebauförderung. Um möglichst schnell möglichst viel bauen zu können, zapfen die Senatsplaner zahlreiche Haushaltstöpfe an, so den für Tourismusförderung oder den „Lärmaktionsplan“. Mehr als acht Millionen Euro stehen allein in diesem Jahr zur Verfügung, sagt Guggenthaler.

Die Verbesserungen für Radler sind umfangreich: So entsteht zwischen Breitscheidplatz und Rotem Rathaus eine schnelle Ost-West-Verbindung über Budapester, Tiergarten-, Lenné- und Französische Straße. In der Französischen Straße werden dafür auf einer Seite die Parkplätze geopfert. Der Große Stern bekommt einen zweispurigen Radweg, damit die Siegessäule künftig auch im Uhrzeigersinn umrundet werden darf. In Wilmersdorf wird mit der Prinzregentenstraße eine lange Nord-Süd-Verbindung zur ersten Fahrradstraße in der West-City umgewidmet, hier haben Radler künftig Vorrang. Dazu werden ab Juli alle Einmündungen in die Straße auf fünf Meter Breite verschmälert, damit Autos langsamer fahren, sagt die Grünen-Stadträtin Martina Schmiedhofer.

In der stark befahrenen Danziger Straße fällt zwischen Schönhauser und Prenzlauer Allee eine von drei Autospuren pro Richtung weg, ebenso abschnittsweise in der Karl-Marx-Straße. „Der Autoverkehr nimmt schließlich ab“, sagt Guggenthaler. Schon bei der Eröffnung der ersten „Fahrradstraße“ in der Ost-City vor zwei Jahren hatte die Staatssekretärin der Verkehrsverwaltung, Maria Krautzberger, eine Umverteilung der Flächen zugunsten der Radfahrer angekündigt. Jetzt wird es tatsächlich ernst für Autofahrer. „Vor wenigen Jahren wäre es völlig undenkbar gewesen, Autofahrern eine Spur wegzunehmen“, sagt Guggenthaler. Doch die Politik habe sich geändert in Berlin. Das gilt allerdings nicht für Tempelhof-Schöneberg. Seit vielen Jahren gilt der Bezirk als absolutes Schlusslicht, was die Förderung des Radverkehrs angeht. Der zuständige Stadtrat erklärt dies mit Personalmangel. Im vergangenen Jahr hatte Oliver Schworck (SPD) angekündigt, zumindest die drei größten Probleme zu beseitigen. Passiert ist nur in der Belziger Straße etwas. Fünf Jahre nach Eröffnung der ersten Berliner Fahrradroute hat der Bezirk es erst jetzt geschafft, den letzten Kopfsteinpflasterabschnitt zu asphaltieren. Am Bülowbogen rollen Radler nach wie vor von der neuen Radstraße durch den Nelly-Sachs-Park direkt in den Gegenverkehr einer Hauptverkehrsstraße. Der mit Millionenaufwand asphaltierte Radweg entlang der S-Bahn-Trasse endet am S-Bahnhof Priesterweg weiterhin im Nichts. Für die Ausführung sei der Bezirk verantwortlich, klagt Guggenthaler. „Wir können Sie nicht zwingen.“

Noch weitgehend unbekannt ist das neu asphaltierte Teilstück des Fernradwegs nach Kopenhagen zwischen Hauptbahnhof und Spandauer Wasserstadt. Nahezu autofrei und immer am Wasser entlang gelangt man aus der City bis an den Stadtrand bei Hennigsdorf.

Der Beitrag erscheint in unserer Rubrik "Vor fünf Jahren".

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