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Lärmmessung. Wirklich punkten konnten die Flughafenbetreiber nicht.

© Jacobs

Tag gegen den Lärm: Lauter empörte Bürger in der Einflugschneise

Am "Tag gegen den Lärm" treten die Berliner Flughäfen die Flucht in die Öffentlichkeit an. Dabei wirken Flughafenleute wie Wurstverkäufer beim Vegetariertreffen. Ein Ortstermin.

„Ach, da sind sie ja wieder mit ihren Lügen, mit denen sie die Bürger für doof verkaufen!“, höhnt ein Autofahrer, während er polternd zwei leere Bierkästen in den Einkaufswagen hievt. 64 Dezibel zeigt das Lärmmessgerät der Flughafengesellschaft, als er daran vorbeirattert. Nur ein Dezibel mehr und der Wutbürger wäre als Lärmereignis aktenkundig geworden. So wie die Boeing von Germanwings, die jetzt im Landeanflug übers Gewerbegebiet von Blankenfelde-Mahlow dröhnt und den Pegel auf 79 Dezibel treibt.

Von früheren Terminen wussten die Leute von der Flughafengesellschaft, worauf sie sich einlassen, als sie sich am Mittwoch mit ihrem orange-rot gestreiften Beratungsbus vors Kaufland stellten, nur vier Kilometer westlich des Flughafens Schönefeld. Noch dazu am bundesweiten „Tag gegen den Lärm“. In Berlin informiert zur selben Zeit der Umweltstaatssekretär am Hackeschen Markt inmitten des üblichen Krachs von Tram, S-Bahn und Lieferwagen über politische Strategien für mehr Ruhe. Hier im südlichen Umland wirken die Flughafenleute am Lärmtag wie Wurstverkäufer beim Vegetariertreffen. Ihren Strom beziehen sie aus einem knatternden Generator, der zusammen mit der nahen Tankstelle und dem Baumarkt gegenüber den Grundpegel bei 60 Dezibel hält. Das ist nicht höllisch laut, aber auf Dauer anstrengend. Bei 65 Dezibel löst das Messgerät aus. Was lauter ist, wird per Funk mit den Flugbewegungen abgeglichen. So lässt sich jedem Flugzeug sein Lärm zuordnen. Laute Maschinen kosten höhere Gebühren als leise.

Ein älteres Paar bleibt vor den aufgestellten Landkarten stehen. Sie wohnen in der Vogelsiedlung in Glasow, also mitten in der Einflugschneise. Nachdem sie beim Flughafen vor einem Jahr Schallschutz beantragt hätten, „waren auch welche da und haben gemessen“. Was genau? „Pi mal Daumen“, sagt der Mann. „Mit Laser“, ergänzt die Frau. „Aber passiert ist nüscht.“ Jochen Heimberg gesellt sich dazu. Er leitet beim Flughafen die Stabsstelle Umwelt. „Sind Sie im Tag- oder Nachtschutzgebiet?“, fragt er. „Wo sind wir?“, erwidert der Mann. Seine Frau zeigt den Ort auf der Karte. „Also in beidem“, sagt Heimberg. „Wat kriegen wir dann?“, fragt der Mann. Heimberg spricht von Schallschutzfenstern, einmaliger Entschädigung und Lüftern. „Lüfter – im Wohnzimmer, ja?!“ fragt ein Neuankömmling und guckt Heimberg an, als habe der ihn angespuckt. Weitere Passanten bleiben stehen, echauffieren sich über die Flugrouten und werden böse, als sie auf die protestierenden Berliner zwischen Steglitz und Wannsee zu sprechen kommen. „Seit die sich alle in die Fluglärmkommission gedrängelt haben, haben die wirklich Betroffenen kaum noch Stimmrecht“, sagt einer. „Die sind doch von Wowereit und Platzeck oder vom Flughafen gekauft worden“, fügt ein anderer hinzu.

Ein anderer sagt, er würde das Haus, das er 1993 in Mahlow gebaut habe, am liebsten der Flughafengesellschaft verkaufen. „Ich kann es mir ja nicht auf den Buckel schnallen und umziehen. Die 4000 Euro Entschädigung sind eine Farce.“ Die Frau aus der Vogelsiedlung sagt, das mit den unklaren Flugrouten sei „doch Betrug, das finde ich scheiße“. Heimberg erwidert, dass er das so unterschreiben könne. Später beklagt er leise den „Bärendienst, den uns die Flugsicherung mit den Routen erwiesen hat“. Drei Schritte weiter verteilt der Pressesprecher des Flughafens Zettel mit der Überschrift „Nettolärmentlastung für die Region“. Die sind nur für Journalisten. Den Leuten hier kommt er lieber nicht mit solchen Parolen.

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