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Keine Gäste. Das Corona-Virus bedroht auch Berlins Gastronomie. Das kann im Stadtbild jeder sehen. Dieser Kellner wartet im Café Lebensart Unter den Linden allein auf Gäste.

© Michael Kappeler/dpa

Corona und Berlins Gastronomie: Weiter hoffen, improvisieren, durchhalten

Nicht alle Wirte und Veranstalter geben sich in der Krise geschlagen. Sie suchen Lösungen: vom spontanen Mittagstisch über Spenden bis zu Rabatten

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Improvisieren

Unterstützung gefragt. Bini Lee aus dem „Kochu Karu“ hat einen unverwüstlichen Optimismus und positiven Durchhaltewillen: „Wir lassen unser Baby ‚Kochu Karu‘ sich vorübergehend ausruhen. Wir schöpfen in dieser Zeit neue Energie und entwickeln neue Gerichte, wir wollen ja mega vorbereitet sein, wenn Ihr nach dieser hausschuhfreundlichen Zeit wieder hungrig zu uns kommt.“ Sie hat einen „Happy reunion voucher“ vorbereitet, der ihnen helfen soll, die Zeit finanziell zu überbrücken. Sie fragt: „Seid ihr dabei?“

Offenhalten. Viniculture setzt darauf, als Getränkemarkt eingestuft zu werden und somit als Grundversorger offenbleiben zu dürfen. Aber er such bereits nach Alternativen zum Ladenverkauf: Holger Schwarz bietet Lieferung über seine Fahrer im S-Bahnring an, oder per UPS deutschlandweit, beide gratis. Und er arbeitet an einem Abholservice: „Wir versuchen Click & Collect für Euch einzurichten: d.h. Ihr könnt die Weine dann online bestellen, bezahlen und dann einfach mit der entsprechenden Bestellnummer bei uns abholen. Wir müssen allerdings noch rausfinden, wie die Abholung dann praktisch aussieht und was es (auch rechtlich) alles zu beachten gilt.“

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Die Gaststätte Engelbecken schreibt auf seiner Homepage: „Liebe Gäste, gerne möchten wir Sie darüber informieren das wir heute Abend die Engelbecken Speisewirtschaft öffnen werden. Die Schankwirtschaft wird heute Abend geschlossen bleiben, jedoch werden wir Sie eine gute Mischung aus beiden Restaurants auf unserer Speisekarte finden. Die weiteren Öffnungszeiten werden wir täglich neu entscheiden müssen.​ Wenn Sie es jedoch bevorzugen aus Sicherheitsmaßnahmen zuhause zu essen, aber nicht auf unsere Speisen verzichten möchten, dann bieten wir Ihnen gerne einen Großteil unseres Angebots auch zum mitnehmen an. Ihre Bestellung können Sie gerne telefonisch unter 030/6152810 aufgeben und diese anschließend bei uns abholen.“ Maik de Riese-Meyer: „Wir haben noch nicht entschieden, ob wir schließen, wenn wir ab morgen nur bis 18 Uhr öffnen dürfen, wir haben noch genug waren im Haus, solange wir dürfen, werden wir die auch anbieten. Aber wenn das Verbot kommt oder unser Mitnahmeservice nicht angenommen wird, fällt auch für uns der Hammer.“

Mittagsgäste willkommen. Micha Sokolowski einer der „Brüder“ vom Restaurant „Bruderherz“:  „Wir sind in der Umsetzung, der Vorgaben der Bundesregierung. Sind bislang davon ausgegangen, abends geöffnet bleiben zu dürfen, haben unseren Lieferservice darauf ausgerichtet. Haben heute angefangen, umzuswitchen, deshalb bieten wir jetzt Mittagstisch von 12 bis 18 Uhr, parallel dazu Lieferservice bis 18 Uhr und auch darüber hinaus, sofern dies erlaubt sein wird. Wir wollen, dass das essen frisch und war ankommt, fahren selbst mit Fahrrädern und Auto, sind aber auch in Gesprächen mit „Lieferando“. Aktuell sind deren Fahrer wahrscheinlich komplett ausgelastet, wir planen also, unser Essen über das Lieferando-Portal anzubieten und dann selbst auszufahren. Wir sind selbst Eltern, haben Kinder, trifft uns hart, dass die Kinder zuhause bleiben müssen. Deshalb bieten wir einen Rabatt von 10 Prozent für Eltern, die mit ihren Kindern vorbeikommen. Wir haben unsere riesengroße Terrasse geöffnet, so dass niemand eng sitzen muss und Abstand gewahrt bleibt. Und für die Kinder haben wir jetzt auch immer ein Kindergericht – frische Bio-Pasta für 5 Euro. Es bleibt ein zweischneidiges Schwert, weiter zu machen. Aber wir bekommen auch viel Zuspruch: Haben uns über drei Jahre unsere Stammkundschaft aufgebaut, sind ein Nachbarschaftsrestaurant. Ich denke auch, dass die Leute hier bestellen, weil sie uns jetzt unterstützen wollen. Wir hatten früher schon Mittagstisch, jetzt freuen sich die Leute aus dem Kiez, dass es den wiedergibt.“

Spenden für die Clubs. Die Berliner Berg Brauerei will mit einer Spendenaktion „der Berliner Clubkultur solidarisch unter die Arme greifen“. Denn viele Clubs seien wegen der Schließungen in Exostenznot. Die Neuköllner Brauerei will den Verkaufserlös von bis zu 500 Kisten „Berliner Berg Lager“ (30 Euro pro Kiste minus Mehrwertsteuer und Pfand), also um die 11000 Euro, der Berliner Clubkommission zur Verfügung stellen. Wie man sich beteiligen kann? Im Online-Shop der Brauerei entweder Lager zu 30 Euro oder „Solilager“ (50 Euro plus 20 Euro Spende bestellen und „kontaktlos“ – heißt: im Hausflur vor der Wohnungstür geliefert erhalten.Link zum Webshop: https://berliner-berg-gmbh.myshopify.com/

Mobiler Mittagstisch. „Streetfood auf Achse“, die sonst den sonntäglichen Streetfood-Market vor der Kulturbrauerei in Prenzlauer Berg organisieren, springen auf Firmengeländen ein, wo Betriebskantinen geschlossen, Mitarbeiter aber Hunger haben. Unternehmen können einen Foodtruck mit Catering bestellen. Ab 100 bis 120 Gästen lohne sich das Ganze, sagt Michael Wiegner von „Streetfood auf Achse“. Buchen kann man die Küchen auf Rädern – alle arbeiten nach aktuellen Hygienestandards und bieten frisch gekochtes Essen – unter mail@ketering oder telefonisch unter 44 31 07 37 oder 0151-22 65 03 47.

Frisches aus Gläsern. Katja Gurkasch, die Pflanzen- und Kräuterexpertin, die in ihrem idyllischen Garten an der Havel in Kladow sonst regelmäßig Workshops plus Kochen anbietet, öffnet ihre Speisekammer. Wer sich vom Samstags- oder Sonntagsspaziergang entlang der Imchenallee etwas Leckeres mit nach Hause bringen will, kann zwischen 14.30 und 16.30 Uhr Selbstgemachtes im Glas im Vorbeigehen kaufen: Pesto aus Bärlauch oder Giersch und Gundermann, Chutney aus Löwenzahnblüten, süße Aufstriche aus einem Mix von Pflaume und Tomate oder Apfel und Lavendel. Außerdem frische Löwenzahnblüten, Bärlauch und mehr. In Kladow, Imchenallee 66, etwa fünf Minuten zu Fuß vom Kladower Hafen Richtung Sacrow.

Offen halten

Weiter Wochenmarkt. Nikolaus Fink, Betreiber des Wochenmarktes am Maybachufer, sagt: „Grundsätzlich arbeiten wir so weiter, wie es der Senat es vorgibt. Wochenmärkte sind keine Spezialmärkte, sondern dienen der Grundversorgung, die Grundversorger sind von der Schließung ausgenommen, wenn die schließen würden, woher sollen die Leute dann ihre Waren herbekommen? Auf dem Markt haben wir alles abgesagt, was nicht unmittelbar mit dem Verkauf zusammenhängt: Probieren ist nur noch eingeschränkt, wenn überhaupt, der Abstand zum Stand muss ja gewährleistet sein. Wir werden weitermachen, informieren uns ständig, tauschen uns aus, haben aber auch von Virologen gehört, dass es jetzt besser ist, raus an die Luft zu gehen und dort einzukaufen, das haben uns auch viele Kunden bestätigt. Viele gehen sehr vernünftig damit um, stellen sich nicht an, wenn viel los ist, sondern gehen erst noch an einen anderen Stand. Der Selbstorganisiationstrieb funktioniert, das hätte ich vor einer Woche noch nicht gedacht. Scheint in der Öffentlichkeit angekommen zu sein, dass das Allgemeinwohl vorgeht.“

Hoffen auf Unterstützung. „Wir lassen auf, solange, bis wir die Ansage bekommen, zu schließen“, heißt es bei „Curry 36“ für alle Filialen. „Wir sind gewillt weiter zu machen, und unsere Mitarbeiter sind das auch. Bislang wollte kein Mitarbeiter nicht zur Arbeit kommen. Wir versuchen, ein sozialer Betrieb zu sein, sprechen über möglichen Urlaub, Kurzarbeit, machen aber erst einmal weiter.“ Natürlich hoffe man auf Unterstützung, falls die Schließung doch noch angeordnet werde. „Solange aber halten wir hohe Hygienestandards ein, die Desinfektionsspender sind aufgefüllt.“ Kunden würden aber gebeten, wenn möglich mit Karte zu zahlen. Aktuell prüfe man, ob das Gastronomieverbot auch für Imbisse ohne Sitzplätze gilt, danach werde nach Sachlage entschieden. An allen Buden von „Curry 36“ werden auch Ketchup und eingeschweißte Würste zum Mitnehmen verkauft.

Stellung halten. Das Wilmersdorfer Feinkostgeschäft „Maître Philippe“ postet auf Facebook: „Wir halten die Stellung und sind weiterhin für Euch da! Allerdings würden die Vorgaben der Bundesregierung respektiert:
Nicht mehr als 5 Kunden auf einmal im Laden, Warteabstand 1,5 bis 2 Meter, alle empfohlenen Hygienemaßnahmen, etwa Desinfektionsmittel am Eingang. „Unsere Lager sind voll, alle kriegen das, was sie brauchen. Habt keine Angst, es ist ausreichend für alle da“, heißt es weiter. Außerdem werde nur noch Kartenzahlung akzeptiert. Das Geschäft macht Kunden das Angebot, ihre Einkaufsliste per E-Mail an anais@maitrephilippe.de zu schicken. „Wenn die Bestellung am Vortag bis 22 Uhr bei uns eingeht, steht Euer Einkauf am folgenden Tag für Euch bei uns im Laden zur Abholung bereit.“

Mittagessen für Ausflügler. Brandenburg-Ausflügler könnte interessieren, dass es bei Frank Schreiber im „Goldenen Hahn“ in Finsterwalde immer noch eine Möglichkeit gibt einzukehren. Er bietet von 12 bis 15 Uhr Dienstag bis Samstag Mittagstisch. Außerdem gibt es die Möglichkeit, ausgewählte Speisen vorzubestellen und sie bis 18 Uhr abzuholen. Auf Facebook schreibt der Küchenchef: „Wir freuen uns auf Sie und bessere Zeiten.“ 

Schließen und Verabschieden

"Coda" macht Pause. Die Foodies weinen schon in ihren Facebook-Kommentaren. Zurecht. Denn jetzt hat auch das "Coda", das zweibesternte, unvergleichliche "Dessert-Restaurant" mit Bar vorerst wegen der Corona-Krise geschlossen. "Wir freuen uns, Euch danach wieder im Coda zu begrüßen", versprechen René Frank und sein Team in ihrem Post.

Raues Entscheidung. Auch Tim Raue ist in großen Schwierigkeiten. Am Dienstag hat er sich mit seinem Personal und seiner Frau Marie entschlossen, im Hauptrestaurant in der Rudi-Dutschke-Straße zunächst bis Sonntag ein tägliches Mittagessen anzubieten, das es dort sonst nur am Wochenende gibt. Er fürchtet das Risiko, dass der Anspruch auf Kurzarbeitergeld entfallen könne, wenn nicht alle noch möglichen Arbeitszeiten genutzt werden. Alle anderen Raue-Betriebe, die drei „Colette“-Brasserien in Berlin, München und Konstanz sowie das Restaurant in St. Moritz sind geschlossen, ebenso natürlich die Restaurants auf den Kreuzfahrtschiffen. Mit einer Entscheidung zur Potsdamer „Villa Kellermann“ sei bald zu rechnen, „das kann ich nicht allein beschließen“ sagt er mit Hinweis auf seinen Geschäftspartner Günter Jauch. Raue verspricht, er werde alles tun, um zumindest die Belegschaft in Kreuzberg zusammenzuhalten und verweist auf Restaurantbetreiber, die abrupt geschlossen und sämtliche Mitarbeiter entlassen hätten: „Hier trennt sich jetzt die Spreu vom Weizen in unserer Branche“.  Er halte das für seine Pflicht als Unternehmer und werde dafür auch alle staatlichen Hilfen in Anspruch nehmen.

Auf Wiedersehen, Obermaier! Eben noch Gastgeber im Tagesspiegel-Feinkosttest, jetzt vorerst geschlossen. Das alpenländische Restaurant „Obermaier“ am Kreuzberger Erkelenzdamm beugt sich, wie so viele kleinere Restaurants, den gesetzlichen Vorgaben in der Corona-Krise. „Ich fände es zynisch zu sagen, wir stellen um auf Mittagstisch und lassen offen. Welchem Konzept soll ich denn da – trotz aller eingehaltener Hygienerichtlinien – folgen, um eine Ansteckungsgefahr für mein Team, aber auch die Gäste auszuschließen“, fragt sich Inhaberin Dunja Funke. Außerdem sei jetzt schon absehbar, dass ihre Lieferanten nicht mehr alle Wünsche bedienen könnten. „Linumer Kalb für mein Wiener Schnitzel bekomme ich schon jetzt nicht mehr.“ Fazit: Das „Obermaier“ schließt ebenfalls bis nach den Osterferien, meldet Kurzarbeit an und hofft auf Überbrückungskredite. 

Vorerst kein Bier im Garten. So schön ein Spaziergang entlang des Scharmützelsees in Bad Saarow mit Einkehr im "Freilich am See" ist: Vorerst bleibt das alpenländische Gasthaus dort geschlossen. Auf Facebook tröstet das Team: "Es kann jeden Tag sein, dass wir unsere Innen- und Außenbereiche wieder öffnen..." Bis dahin sollten die Gäste doch einfach in den Schwesterbetrieben "Amiceria" im Zentrum oder "Fischerei Köllnitz" zu den gesetzlich erlaubten Zeiten vorbeischauen.

Ausverkauf. „Hallmann und Klee“ in Neukölln schließen, haben aber noch am Dienstag die nicht lange haltbaren Produkte aus ihrem Lager wie Bio-Eier, Demeter-Milch und Gemüse zum Selbstabholen verkauft.

Hoch und Tief. Gerade hat Gal Ben Moshes "Prism" in Charlottenburg den ersten Michelin-Stern eingeheimst, nun schließt das Restaurant vorerst und Corona bedingt. Gastgeberin Jaqueline Lorenz kündigt dies auf Facebook so an: "Was nach dem Erhalt unseres ersten Sterns eigentlich eine der glücklichsten Zeiten unseres Lebens sein sollte, nahm jetzt eine unerwartet Wende. Nach dem gestrigen Beschluss der Regierung sind wir gezwungen, unser zweites Zuhause ,Prism' zu schließen. Es nicht einfach, aber wir wissen dass es weitergeht, es ist nur eine kurze Zwangspause. Natürlich könnt ihr uns helfen, in dem ihr jetzt schon für die Zukunft plant und einen Gutschein bei uns erwerbt, für ihren nächsten Besuch." Es bleibe die Hoffnung auf eine Wiedereröffnung, "wenn der Spuk vorbei ist".

Auf und zu. Und kaum hatten die Jungs von der Manufaktur "Mani in Pasta" - die Brüder Angelo and Gioacchino Celona und ihr Kumpel Lorenzo Corisi - ihr Restaurant in der Reichenberger Straße in Kreuzberg eröffnet, müssen sie es, Corona sei Dank, schon wieder dicht machen. Offen bleibt aber ihr längst etablierter Stand ganz in der Nähe, in der Markthalle IX.

Ein Genuss weniger. Am Nachmittag gab auch das Restaurant "Einsunternull" in Mitte bekannt, es werde "auf unbestimmte Zeit" schließen. Die Corona-Krise - ein Schlag für Gastgeber Ivo Ebert und seinen jungen Küchenchef Silvio Pfeufer, der der Küche des Restaurants ein neues Profil gegeben hat und aktuell den Michelinstern hielt. Schwacher Trost: Das "Einsunternull" macht bis dahin in den sozialen Netzwerken weiter Appetit.

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