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Thronfolger Charles: Der Öko-Prinz

Er ist ein Kämpfer für den guten Geschmack, ein Pionier der ökologischen Landwirtschaft, der Ritter der Biokost. Prinz Charles - der englische Al Gore?

Mit einem Keks fing alles an. Einem Haferplätzchen, in den schottischen Highlands gebacken. Der Vorkoster: Prinz Charles persönlich. Über 100 Rezepturen soll Königliche Hoheit probiert haben, bis eines seine Gnade fand. Schließlich bürgte er mit seinem großen Namen dafür.

Das Oaten Biscuit war das erste Produkt, mit dem seine edle Biomarke „Duchy Originals“ 1992 auf den Markt kam. Heute haben die Kunden die Wahl zwischen mehr als 200 verschiedenen Lebensmitteln: Truthahn und Christmas Pudding, Mulligatawny Soup, würzige Würstchen und Speck, Himbeer-Limetten-Marmelade, Schokoladen-Orangen-Plätzchen und Vollmilchjoghurt von königlichen Ayrshire-Kühen. Mit Duchy Originals hat der Prince of Wales die Biokost in Großbritannien hoffähig gemacht. Und das im Supermarkt.

Prinz Charles, der König der Ökowelle.

Wie leicht es ist, sich über ihn lustig zu machen. Kübel voller Spott wurden schon über ihn ausgeschüttet. Der Thronfolger im ewigen Wartestand, als Polospieler bereits im Ruhestand. Der Möchtegern-Tampon. Der Mann im Schatten von Mutter und Ehefrau, der von Vater und Volk ungeliebte Prinz mit den Segelohren, der sich eine Frau mit Pferdegesicht zur Geliebten nahm. Der Sonntagsmaler, der mit seinen Pflanzen redet. Der Ewiggestrige, der gegen moderne Architektur wettert.

Wo kein Lachen ist, ist Schweigen. Selbst in einer königstreuen Londoner Buchhandlung wie Hatchards findet man zwar meterweise Literatur über Lady Di, aber über Prinz Charles kaum mehr als das kleine Fotoalbum, das der Buckingham Palace jetzt zu seinem 60. Geburtstag am 14. November herausgegeben hat.

Charles Philip Arthur George Mountbatten-Windsor ist der am längsten amtierende Thronanwärter der britischen Geschichte. Seit 56 Jahren, seit seine Mutter Königin wurde, wartet er auf seinen eigentlichen Job. Anfang dieses Jahres überholte er dabei selbst den bisherigen Spitzenreiter, Edward VII. Der hat sich die lange Wartezeit bis zum Tod von Mutter Victoria mit zahlreichen Geliebten und allgemeinem Lotterleben vertrieben – Glücksspiel, Nachtklubs, Pferderennen. Prinz Charles hat sich eine andere Beschäftigung gesucht. Und unbeirrt verfolgt.

Da er ökologische Landwirtschaft und das Prinzip der Nachhaltigkeit propagierte, lange bevor es Mode war, wurde er auch dafür verspottet: als „Königliches Maskottchen der Grünen“. In den USA wird er derzeit gefeiert dafür: als Pionier der Ökobewegung, als Radikaler, der kein Blatt vor den Mund nimmt, der McDonald’s angreift und auf der Seite der Kleinbauern gegen die Lebensmittel- und Landwirtschaftskartelle kämpft. Al Gore und Meryl Streep überreichten ihm im letzten Jahr den „Global Environmental Citizen Award“ der Harvard Medical School. In Kalifornien wurde er enthusiastisch begrüßt von Eric Schlosser, der sich mit seinem Bestseller „Fast Food Nation“ die Lebensmittelindustrie zum ebenso erbitterten Feind gemacht hat wie Michael Moore die Regierung Bush mit seinen Filmen.

Alice Waters, die als Erfinderin der neuen kalifornischen Küche mit frischen Produkten gilt, feierte Seine Hoheit als „radikalen Humanisten“. Denn saisonal und regional – heute ein Gemeinplatz, in den 80er Jahren eine Revolution – lautet auch eine zentrale Botschaft von Prinz Charles. Der, wie die Amerikanerin, ein aktives Mitglied der Slow Food-Bewegung ist sowie Schirmherr der britischen „Academy of Culinary Arts“, die sich nicht nur um die Ausbildung von Profiköchen kümmert, sondern auch, wie Alice Waters, um die kulinarische Bildung von Kindern. Und in Deutschland: attestiert Wolfram Siebeck dem Prinzen guten Geschmack, gehört Renate Künast zu seinen Fans.

Noch als junger Junggeselle hatte der Herzog von Cornwall 1980 das Anwesen Highgrove in Gloucestershire gekauft, um das zu dem Landsitz gehörige Gut auf ökologische Landwirtschaft umzustellen. Den Biogarten von Highgrove hat Prinz Charles mit Hilfe von Freundinnen selbst angelegt. Dass der königliche Küchenabfall auf dem Kompost landet, versteht sich von selbst.

Die Duchy Home Farm (die trotz ihrer geographischen Lage zum Duchy of Cornwall, dem Herzogtum von Cornwall gehört) ist inzwischen so etwas wie ein britischer Bio-Musterhof, in die der Hausherr, wie er sagt, sein Herz und seine Seele – und seine Überzeugungen gesteckt hat. Etliche Zutaten für die Duchy Originals kommen von hier, darunter auch der Hafer für die allerersten Kekse. Ansonsten arbeitet die Firma mit überwiegend kleinen Züchtern und Produzenten zusammen. Auch bei der Kooperation mit bekannteren Firmen wie Crabtree & Evelyn oder Walkers werden Marmelade und Kekse nach eigenen Rezepten hergestellt. Der Erfolg von Duchy Originals ist nicht allein auf die schöne Verpackung, das herzogliche Siegel, das geschickte Marketing zurückzuführen. Die Kostproben schmecken köstlich. (Nur die Haferkekse sind eher was für eingeborene Schotten.) Die Erträge gehen an „The Prince’s Charities“, eine Reihe von gemeinnützigen Projekten, die gerade in der Jugendarbeit und im Umweltschutz aktiv sind.

In diesem Frühjahr hat Prinz Charles einen eigenen Lebensmittelladen in Tetbury in der Nähe von Highgrove eröffnet. Dort kriegt man unter anderem sein Lieblingsobst und -gemüse vom eigenen Gut, Kartoffeln namens „Charlotte“ zum Beispiel oder Erdbeeren der Sorte „Happil“. Was man damit machen kann, weiß sein Stiefsohn am besten: Food-Journalist Tom Parker Bowles hat zwei Bücher zum Thema geschrieben – „E is for Eating“ und „The Year of Eating Dangerously“.

Für gefährlich – zumindest sehr gewagt – halten viele Charles’ Einsatz für die Renaissance des Hammelfleischs, das einmal britische Nationalspeise war, aber von dem milder schmeckenden Schaf fast verdrängt wurde. Die 2004 gestartete Initiative, für die der Prinz wieder belächelt wurde, liegt ganz im Trend: der Renaissance von Hausmannskost und Innereien, die man auch hierzulande in immer mehr jungen Großstadtlokalen bekommt. Tradition und Fortschritt liegen beim Essen im Moment so nah beieinander wie nie. Dazu gehört auch die Wiederbelebung alter Obst- und Gemüsesorten und damit die Vielfalt gegenüber der Einfalt der Industrieprodukte, die Aufzucht vom Aussterben bedrohter Rinder und Schweine, die schmackhafteres Fleisch liefern als die mit Hormonen gefütterten.

Was es auf Prinz Charles’ Geburtstagsparty nächste Woche auf Highgrove zu essen gibt, wird nicht verraten. Das sei privat, so die Auskunft vom Hofe. Nur soviel: Am Donnerstag wird ihm in seinem Londoner Heim, Clarence House, der erste echte Renaissance-Hammel der Saison, gut abgehangen, überreicht – von einem Farmer, einem Metzger und einem Koch. Und noch eine Frage kann der Hofstaat klären: ob der Prinz sich tatsächlich jeden Morgen sieben weiche Eier kochen lässt, alle aufschlägt, aber nur eines, das eine perfekte isst, wie Jeremy Paxman in seinem Buch „On Monarchy“ schreibt: Nein! heißt die offizielle Antwort. „Macht er nicht, hat er nie getan, weder zum Frühstück noch zu irgendeiner anderen Zeit.“

Aber das steht fest: Wenn er zu Hause eins isst, dann nur von einem glücklichen Huhn.

Ausgewählte Gruppen können Highgrove besichtigen – wenn sie einen langen Atem haben: Im Moment beträgt die Wartezeit zwei Jahre. Der Farmshop in Tetbury steht allen offen (www.highgroveshop.com). Duchy-Produkte findet man in Großbritannien in den meisten Supermärkten, in Berlin gibt es eine kleine Auswahl unter anderem bei Broken English in Kreuzberg, Körtestraße 10, oder im KaDeWe. „Das Duchy Originals Kochbuch“ ist auf Deutsch im Christian Verlag erschienen (29,95 Euro), das Buch des Prinzen über „Highgrove, Clarence House, Birkhall – Königliche Biogärten“ bei Busse & Seewald (29,90 Euro). Informationen über die Hammel-Renaissance-Initiative unter www.muttonrenaissance.org.uk.

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