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Von TISCH zu TISCH: Bülow-Palais

Austern mit Franzosenkraut

Das wäre jetzt eindeutig die richtige Jahreszeit für Dresden. Man ist mit dem Auto in zwei Stunden da, das passt zwischen Mittag und Abendessen – schneller erreicht man von hier aus keine andere deutsche Stadt mit wirklich exzellenten Restaurants, Dresden ist das nächste Gourmetziel hinter dem Berliner Ring.

Dort gibt es zwei Platzhirsche, die die Sache alle Jahre unter sich ausmachen: das karge, moderne „Bean & Beluga“ am Stadtrand und die kuschelig-neobarocke Bülow-Residenz in der fein restaurierten Neustadt. Die hat sich in diesem Februar einen Neubau zugelegt, das Bülow-Palais, in den nun auch das Restaurant „Caroussel“ umgezogen ist. Hotel und Restaurant geben sich den Erwartungen der Kundschaft entsprechend feinbürgerlich, die neobarocken Anspielungen sind vorsichtig dosiert. Es geht gedämpft und elegant zu, geräumiger als in der weiter geöffneten Residenz um die Ecke. Hinzugekommen ist ein kleines Bistro, eher ein Teil der Hotelhalle, wo es gute, bodenständige Küche gibt.

Küchenchef Dirk Schröer ist mitumgezogen ins neue Haus. Sein Stil ist nach wie vor von der modernen Klassik geprägt, doch auch deutlich darum bemüht, moderne Elemente und Techniken einzusetzen. So sind die drei Austern mit Franzosenkraut, Apfelschaum und einem witzigen Pulver aus gehobelten Gänsemägen ein früher, erfrischender Höhepunkt, konsequenter komponiert als die Jakobsmuscheln, die zwischen spanischem Schinken, Karotten, Topinamburpüree und noch einem weiteren Pilz(?)püree die Mitte bilden, ohne mit den Komponenten eine schlüssige Verbindung aufzunehmen.

Aromatisch ganz dicht und harmonisch kam dann der Dreiklang von Eigelb, weißen Trüffeln, Rahmspinat und geliertem Schinkensaft auf den Tisch, im Glas fast beiläufig schlicht aufeinandergeschichtet. Thunfisch, mit Curry diskret mariniert, gibt es einmal ganz knapp angebraten und einmal roh auf Sashimi-Art, mit Zuckerschoten und kleinen Blumenkohlröschen, sehr gelungen. Geradezu riskant fiel dagegen die grüne Paste aus Gewürztagetes aus, die mit ihrer prägnanten Bitterkeit das deutliche Fett des Iberico-Schweinerückens bändigte; dazu gab es, mild in der Mitte, gebratene Steinpilze.

Sehr gut schmeckte auch die Taubenbrust mit klarem Himbeeressigjus, Kürbis und geschmeidigem Topinamburpüree. Schließlich probierten wir ein fluffiges Kokos-Pandan-Soufflé mit Zwetschgen und Zwetschgensorbet und eine – etwas zu dichte, aber köstlich schmeckende – Schokomousse mit einem würzigen Malz-Roggen-Biskuit und Tamarinden-Mango-Sorbet – und waren auch damit zufrieden. Dimensionierung und Gehalt der Gerichte sind so beschaffen, dass vier Gänge die Obergrenze für alle Gäste sein sollten, die nicht zu Fuß aus Berlin angereist sind. (Hauptgerichte um 40, Vorspeisen um 28 Euro, Menü mittags 45/109, abends 72/109 Euro).

Größtes Plus der Weinkarte sind die günstigen Preise. Schon ab 20 Euro ist Gutes zu haben, das gibt es auf dieser kulinarischen Hochebene leider nur noch sehr selten. Die in Dresden obligatorischen Weine von Klaus Zimmerling beispielsweise kosten um die 35 Euro (1/2 l), dafür muss man bei der örtlichen Konkurrenz mindestens einen Zehner mehr hinlegen. Allerdings hatte ich beim Lesen der Weinkarte auch den Eindruck, dass es an neuen Impulsen fehlt: Das Top-Restaurant der Region sollte aus der Region mehr zu bieten haben als die üblichen Verdächtigen und sie auch offensiver anbieten. Und im Service, der angenehm geräuschlos funktioniert, aber ab und zu doch überraschende Lücken entstehen lässt, haben wir den Gastgeber mit Blick fürs große Ganze vermisst.

Insgesamt ist das neue Bülow-Palais dennoch erste Wahl in Dresden, sowohl kulinarisch als auch was die Unterkunft betrifft. Das Haus ist sehr komfortabel ausgestattet, technisch auf der Höhe der Zeit, recht ruhig gelegen, und es wirkt großzügiger und lichter als die alte Residenz. Anspruchsvolle werden allenfalls den Elbblick vermissen. Aber den gibt es gratis mit einem kurzen Spaziergang.

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