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Lage! Lage! Lage! Direkt am Spreekanal - eine klare Punktlandung für das "Carl & Sophie"

© Kai-Uwe Heinrich

Von TISCH zu TISCH - die Restaurantkritik: Carl & Sophie

Ein wunderbares Restaurant mit Tradition direkt an der Spree: gekonnt modernisierte Berliner Küche mit kleinem Ausreißer.

In diesem Fall hat es mich etwas Überwindung gekostet, zurückzukehren in ein Restaurant, dessen schöne Lage an der Spree allein schon eine Empfehlung ist. „Carl & Sophie“ heißt es nach dem Ehepaar Bolle, das von hier aus einst Berlin mit Milch versorgte. Normalerweise kommt Spargel in der Restaurantkritik kaum vor, weil es ein saisonales Gemüse ist mit in der Regel traditionell festgelegten Rezepten. Eigentlich kann man da nicht allzu viel falsch machen.

Dachte ich, bis zu jenem Abend, an dem ich mich ganz arglos auf ein Spargelessen aus besonderem Anlass gefreut hatte. Schon der erste Biss rief einiges Entsetzen bei mir und auch bei meinem Gast hervor. Die Stangen waren komplett sauer! Der Kellner meinte, die seien wohl in Zitronenwasser eingelegt worden. Auf unsere Bitte, den Koch mal probieren zu lassen, kam kein weiteres Echo. Nichts. Was immer dahintersteckt, wenn man so was so kochen will: Es gehört unbedingt ein Hinweis auf die Karte „Achtung! Saurer Spargel“.

Bis auf das Angebot eines Gratis-Drinks gab es auch keinerlei Entschädigung, keinen Preisnachlass und auch keine Entschuldigung. Die mindestens hätte ich erwartet, da mir die Sache gegenüber meinem Gast rasend peinlich war. Das sollte ja kein Test sein, sondern ein schöner Abend.

[Carl & Sophie. Alt-Moabit 99, Tiergarten, Tel. 39 92 07 98, geöffnet täglich 12 bis 22 Uhr, sonntags Brunch bis 15 Uhr.]

Beim zweiten Anlauf zeigte sich auch die Küche von ihrer besseren Seite

Man sitzt ansonsten sehr angenehm, sowohl im gemütlichen Innenraum als auch auf den beiden hübsch mit Hecken und Blumen und bequemem Lounge-Mobiliar gestalteten Terrassen zur Spree hin. Beim zweiten Anlauf zeigte sich auch die Küche von ihrer besseren Seite mit gekonnten Modernisierungen klassischer Berliner Gerichte. Das begann schon mit dem „Frühlingsgarten“: winzige Tupfer von Ziegenquark zu einem malerischen Bild komponiert mit Kaninchen, Rübchen und Portulak (14 Euro).

Das deftig Herbe, für das die Berliner Küche auch bekannt ist, wird hier plötzlich anmutig und leicht. Noch besser gefiel mir der Gurkensalat, weil da ein ganz einfacher Klassiker optisch und geschmacklich zu einem glanzvollen kleinen Kunstwerk aufgewertet wurde. Den Grund gaben hellgrüne Längsstreifen von einer exzellenten Schlangengurke, darauf verteilt runde Scheiben von saurer Gurke, goldgelbe Senfsaat, kleine Gurkenkrautgirlanden und grasgrüne Apfelgeleezylinder (8 Euro).

Dazu passten perfekt hausgemachte krustige Roggenbrötchen. Die geschmorte Kalbsbrust war auf eine solide Weise zart und gut gewürzt, einen Hauch von Extravaganz vermittelten Salzzitrone und junger Knoblauch (22 Euro). Opulenter war das Heilbuttfilet inszeniert, mit Kräutersauce, Kürbis- und Ingwerpüree. Die Lauchzwiebeln waren etwas trocken geraten, und die Mairübchen schließlich erinnerten in ihrer Säure an den Spargel, nur dass die bei so einer vergleichsweise kleinen Beilage keine tragende oder (ver-)störende Rolle spielte.

Rübchen eignen sich als Experimentierfeld auch besser. Der Fisch selbst hatte einen intensiven Duft, schmeckte gleichwohl und war gut gegart und saftig (26 Euro). Mara-Erdbeeren als Dessert gab es als Variation von Früchten, Mousse und Eis, auch das war hübsch angerichtet und leicht (10 Euro).

[Dieser Beitrag ist auf den kulinarischen Seiten "Mehr Genuss" im Tagesspiegel erschienen – jeden Sonnabend in der Zeitung. Hier geht es zum E-Paper-Abo. Weitere Genuss-Themen finden Sie online auf unserer Themenseite.]

Weiterer Pluspunkt: die hochwertige Weinauswahl

„Nordheimer Vögelein“, ein fränkischer Riesling von 2016 in einer schicken Bocksbeutelflasche, stand für die sorgfältig sortierte, qualitativ hochwertige Weinkarte, passte gut zu den Gerichten und zum frühsommerlichen Spreeblick. Lustig war der Aperitif, ein Sekt namens „Bolle’s Köche“, der für eine Hausmarke erstaunlich gut schmeckte, frisch und fruchtig, nicht herb, sondern eher wie eine prickelnde Antwort auf Milch (5 Euro).

An die erinnern die Emaillekannen auf dem Tresen, in denen Strohhalme aufbewahrt werden. Das Potenzial zur Magnetwirkung ist bei „Carl & Sophie“ durchaus vorhanden, solange man nur den Küchenjungen vom Spargel fernhält.

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