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Von TISCH zu TISCH: Long March Canteen Hähnchenspieße

mit Wasserkastanien.

Asiatisch – da geht immer noch was. Vor allem die vietnamesische Küche hat sich in der Berliner Innenstadt in einem kaum mehr überschaubaren Maß ausgebreitet, während Thai ganz gut läuft, China und Japan stagnieren und Korea offenbar kein überzeugend eigenständiges Profil gewinnt. Neben der Küche kommt es zunehmend darauf an, dass ein Restaurant eine Geschichte zu erzählen hat und damit auch Gäste anzieht, denen das Essen eher gleichgültig ist.

Deshalb ziehe ich den Hut vor der Cleverness, mit der soeben die „Long March Canteen“ in den Markt geschubst wurde. Im Grunde handelt es sich um einen Ableger des „Yumcha Heroes“ in Mitte, aber es ist etwas Neues: Die raffinierte Architektur spielt mit dem Klischee der Opiumhöhle und mit unserer Vorstellung von einer chinesischen Kantine, aber die vorgebliche Authentizität wird gleich durch rauen Bluesrock aus den Lautsprechern gebrochen. Dunkel – und gutes Licht auf den Tellern, bitte, geht doch! Und die von oben illuminierten Dampfschwaden über dem Edelstahldämpfer für die Dumplings sehen cool aus. Die Außenfassade des Kreuzberger Eckhauses wirkt dagegen wie ein Sprayerhauptquartier, sie stammt noch vom jung verstorbenen Vorgänger „Eckstück“.

Taugt die von tausend Lügen und Flunkereien überlagerte kommunistische Legende des langen Marschs überhaupt zu ironischer Ausschlachtung? Das ist eine Geschmacksfrage, die ich hier gottlob nicht beantworten muss. Den Geschmack des Essens kann ich dagegen uneingeschränkt loben.

Es beginnt damit, dass ein Wägelchen mit kalten Vorspeisen an den Tisch geschoben wird, die fast durchweg keinem Klischee folgen, sondern eher den Brückenschlag zur westlichen Küche anstreben: Oktopus mit Kohlrabischeiben, rohe Thunfischwürfel auf roten Beten. Es gibt auch Traditionelles wie Salat von tausendjährigen Eiern, die angenehm süßlich geschmorten Schweinerippchen oder Seltsames wie Qualle mit Nashi-Birne und Koriander (pro Teller ca. 4-8 Euro).

Die Dumplings (andernorts auch als Dim Sum geläufig) schmecken großartig. Man könnte sich den Teig sicher noch dünner vorstellen, aber das ist ein Tribut an die Vorfertigung. Bestechend sind die äußerst aromatischen Füllungen, die nichts mit den üblichen neutralen Fleischklopsen zu tun haben. Schwein mit SzechuanPfeffer und Ingwer (Shanghai), Garnelen mit Wasserkastanien (Prawns) oder Rindfleisch mit Sellerie und Lauchzwiebeln – alles ist köstlich gewürzt und kräftig im Geschmack, wenn auch letztlich rätselhaft bleibt, wie man die dicken Dinger mit Stäbchen bezwingt, ohne sich letal die Zunge zu verbrennen (je vier Stück 5-8 Euro).

Eine ganze Reihe von intelligent portionierten warmen Gerichten rundet das Programm ab. Mein Favorit sind die Hähnchenspieße mit Wasserkastanien und Lauchzwiebeln in einer köstlichen Limetten-Honig-Soße (6,50), während der gedämpfte Pak Choi mit Ingwer und Soja ziemlich langweilig schmeckte und dem Angriff der Stäbchenamateure zähen Widerstand leistete (5,50). Angenehme Bravheit strahlte die Ente „Peking Style“ aus, saftiges, etwas zähes Fleisch mit den klassischen Beigaben, Pfannkuchen, Gemüsestreifen, Hoisin-Soße (15 Euro).

Der Service ist noch merklich dabei, sich zu sortieren und verlangt aufgeklärte und nachsichtige Gäste, sicher kein Dauerzustand. Die kleine Getränkekarte bietet ein paar anständige Weine; für den sehr ansprechenden badischen Riesling „Feigenwäldchen“ vom Weingut Kopp werden 28 Euro aufgerufen, das ist er wert. Durch diese durchweg angenehme Kalkulation ist es schwer, zu zweit mehr als 100 Euro auszugeben, dafür wird man kaum anderswo so anregend bewirtet.

Das Vergnügen lässt sich vermutlich noch dadurch steigern, dass man in einer größeren Gruppe kommt und dann an den runden Tischen mit dem Drehaufsatz alles probiert, was die Küche zu bieten hat. Allzu ausschweifende Gelage werden von den knüppelharten Sitzbänken verhindert. Aber der lange Marsch musste einst ja auch immer weitergehen.

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