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Gesundheit: Forsche Russen

Weg vom Tropf des Westens: Der Kreml investiert neuerdings in Wissenschaft

Marode Unis, frierende Studenten, Forschungsgehälter, die kaum für Grundnahrungsmittel reichen: Solche Nachrichten prägten in den vergangenen Jahren das westliche Bild von Russlands Bildungslandschaft. Noch immer ist die einschneidende Nachwendekrise der russischen Forschungseinrichtungen nicht überwunden – doch zumindest spricht nun einiges für eine allmähliche Konsolidierung. Von „Aufbruchstimmung“ war gar die Rede bei einem kürzlich in der Berliner Akademie der Wissenschaften abgehaltenen Expertengespräch zum deutsch-russischen Wissenschaftsaustausch.

Anlass zur Hoffnung für die bilateralen Forschungsbeziehungen gab dort vor allem die stetig wachsende Zahl von Studenten und Nachwuchswissenschaftlern, die im Rahmen von Stipendien und Forschungsprogrammen das jeweils andere Land kennenlernen. Rund 1000 russische Wissenschaftler hat etwa die Alexander von Humboldt Stiftung in nachsowjetischer Zeit gefördert, an deutschen Universitäten stellen Studenten und Nachwuchsforscher aus Russland inzwischen die viertgrößte Ausländergruppe. Mit eigenen Büros in Moskau vertreten sind heute die Deutsche Forschungsgemeinschaft, die Fraunhofer Gesellschaft, das Deutsche Historische Institut, der DAAD und die Helmholtz Gemeinschaft. Als „besonders wichtiges Element“ bezeichnete deshalb Gernot Erler, Staatsminister im Auswärtigen Amt, die bilateralen Wissenschaftsbeziehungen – „auch wenn oft andere Aspekte die Tagespolitik dominieren“.

Eine Publikumsfrage allerdings erwischte den SPD-Politiker auf dem falschen Fuß: Warum das Intas-Programm der EU eingestellt werde, konnte Erler nicht erklären. Dabei ist die Abwicklung dieses Programms in gewisser Weise bezeichnend für einen aktuellen Trend in Russland: Ursprünglich als EU-Förderinstrument für die bedrohte Forschungslandschaft der GUS-Staaten entwickelt, hat Intas die östliche Wissenschaftsszene seit 1993 mit mehr als 250 Millionen Euro unterstützt – und damit in den schlimmsten Zeiten möglicherweise ihren Zusammenbruch mitverhindert. In den letzten Jahren aber, so einer der Brüsseler Programmkoordinatoren, seien die Intas-Mittel fast nur noch an Russland geflossen, „weil von dort ständig exzellente Projektanträge kamen“. Gleichzeitig verfüge Russland heute über Haushaltsüberschüsse in Milliardenhöhe – weshalb sich die Frage gestellt habe, warum die EU Russlands Forscher alimentieren müsse.

Ist die Intas-Abwicklung also eigentlich eine russische Erfolgsgeschichte? Bertram Heinze, Moskau-Repräsentant der Helmholtz Gemeinschaft, befürwortet diese Lesart. Erstaunlich hoch sei inzwischen das Niveau der staatlichen Finanzierung wissenschaftlicher Kernbereiche, hat Heinze bei seinen Reisen durch Russlands Forschungszentren festgestellt: „Russische Top-Wissenschaftler wissen heute, wie sie an Geld kommen.“ Diesem Trend angepasst ist ein neues, fünf Millionen Euro starkes Programm der Helmholtz Gemeinschaft, mit dem Wissenschaftlern Forschungsaufenthalte in Deutschland ermöglicht werden. Neu daran ist, dass die Stipendien von russischer Seite in annähernd gleicher Höhe gegenfinanziert werden.

Das deutsche Interesse an solchen Kooperationen sei unvermindert hoch, meint Heinze: In den klassischen Naturwissenschaften bringe Russland „immer noch Nachwuchskräfte hervor, die in einem Maße innovativ sind, wie man es im Westen nicht findet“.

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