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Gesundheit: Mit dem Bleifuß in Richtung Adlershof

Die Humboldt-Universität tritt aufs Gaspedal.Der Umzugstroß der mathematisch-naturwissenschaftlichen Institute in Richtung Adlershof gewinnt zunehmend an Fahrt.

Die Humboldt-Universität tritt aufs Gaspedal.Der Umzugstroß der mathematisch-naturwissenschaftlichen Institute in Richtung Adlershof gewinnt zunehmend an Fahrt.Nachdem das Institut für Informatik schon seit dem Wintersemester 1998/99 im Wista-Business-Center (WBC) in Adlershof ein Pionier-Dasein führt - vom Senat erzwungen, wie die Universitätsleitung nicht müde wird zu betonen - schickt ihr die Universität zum Wintersemester freiwillig das Institut für Mathematik hinterher.Bis zum Jahr 2002 sollen alle weiteren naturwissenschaftlichen Institute - außer Geographie und Biologie - folgen.Etwa 6000 Studierende der HU werden dann am neuen Campus in Adlershof studieren, drei Jahre früher als ursprünglich geplant.

Ermöglicht wird dieser Bleifuß-Umzug durch Umschichtungen im Haushalt, diverse Rechenkunststücke und das Entgegenkommen der landeseigenen Entwicklungsgesellschaft (Wista).Die Wista braucht die Universität als "Marketingfaktor", wie es ihr Projektentwickler Jörg Israel ausdrückt.Denn erst die universitären Lehr- und Forschungsbereiche machen den Standort Adlershof so richtig attraktiv für die Wirtschaft, die hier mit der Wissenschaft verzahnt werden soll.

Es gebe zwar keine "unplanmäßigen" Vermietungsprobleme, so Jörg Israel, denn "Immobilien brauchen oft Jahre, um voll ausgelastet zu sein".Doch gerade das 1997 fertiggestellte Wista-Business-Center blieb hinter den Erwartungen zurück.Zum einen war es als reines Büro-Center für Dienstleistungsunternehmen konzipiert, die sich bisher aber nur zögerlich in der Adlershofer Baustelle einmieten.Zum anderen ist der Bau frei finanziert."Wir können also keine subventionierten Mietpreise anbieten", sagt Israel.Und so sind von den 17 099 Quadratmetern Gesamtnutzungsfläche des WBC bisher nur 1550 Quadratmeter außeruniversitär vermietet.

Und deshalb kommen die HU-Naturwissenschaften gerade recht.Die Informatiker belegen derzeit schon 6000 Quadratmeter.Die vom Studentenwerk betriebene Mensa umfaßt 677 Quadratmeter.Weitere 7300 Quadratmeter soll die Mathematik bekommen.Ab September werden also die universitären Lehreinrichtungen knapp 82 Prozent der WBC-Fläche ausmachen.

Kein Wunder, daß man sich bei den Mietpreis-Verhandlungen für die Mathematik rasch näherkam.Der Mietvertrag soll zwar erst in den nächsten Tagen unterzeichnet werden, aber im Prinzip sei man sich einig, so HU-Vizepräsident Elmar Kulke, der den Umzug koordiniert.Für die Mathematik zahlt die Universität jährlich 2,3 Millionen Mark.Diese Kosten will die HU durch die Räumung des Pharmazie-Gebäudes kompensieren, für das derzeit 3 Millionen Mark Miete im Jahr fällig sind.Der Studiengang wird an der Freien Universität konzentriert.

Bis zum Sommer muß das für universitäre Zwecke eher ungeeignete WBC mit millionenschwerem Aufwand umgebaut werden."Die Wista trägt die Umbaukosten in Höhe von drei Millionen Mark", sagt HU-Vize Kulke.Doch auch die Universität wird zur Kasse gebeten.Für die technische Ausstattung, also die Bestuhlung, Tafeln und ähnliches, muß sie 800 000 Mark investieren."Als Bonbon schaffen wir für die Mathematiker neue Computer und andere technische Geräte für noch einmal zwei Millionen Mark an", verspricht Kulke."Die Mathematik bekommt so ein ihren Ansprüchen genügendes Gebäude: eine Verbesserung gegenüber der Situation in der Brunnenstraße, wo das Institut jetzt untergebracht ist."

Doch die Betroffenen revoltieren.Man sperre sich nicht gegen den Umzug an sich, so der Geschäftsführende Direktor des Institutes für Mathematik, Jürg Kramer, sondern gegen die Umstände."Das ist ein überstürztes, völlig planloses Vorhaben.Eine inhaltliche Diskussion darüber, wie man den Lehrbetrieb dort langfristig und effektiv organisieren kann, wurde uns von der Universitätsleitung verweigert." Es sei immer nur um die Zuteilung von Flächen gegangen, kritisiert Kramer."Doch niemals um den Schaden, den der Umzug beim Imstitut anrichten könnte." Der Direktor befürchtet zum Beispiel einen Einbruch bei den Studentenzahlen.

Auch die Studenten machen gegen den hastigen Sprung nach Adlershof mobil.Sie kritisieren vor allem, daß das Business-Center überhaupt nicht für den Universitätsbetrieb konzipiert wurde."Wenn wir schon umziehen müssen, dann wenigstens in eine bessere Unterbringung", sagt der Mathematikstudent Nico Czinczoll von der Arbeitsgruppe Adlershof."Wir haben zwar nominell mehr Platz, aber dafür weniger und ungenügende Räume." Vom Mathematiker-Umzug sind etwa 800 Studenten betroffen, darunter 400 Lehramtsstudenten, die, weil sie ein zweites Fach studieren, wahrscheinlich auch zwischen zwei Standorten pendeln müssen.Immerhin braucht man fast eine Stunde vom Hauptgebäude in Mitte zum Campus Adlershof.

HU-Vize Kulke hat Verständnis für die Einwände."Bis zur Fertigstellung des Lehrgebäudes 2002 sind die Bedingungen tatsächlich nicht optimal.Es fehlen besonders Hörsäle.Aber durch den Umbau entstehen schon jetzt sehr gute Seminar- und Laborräume sowie Computerpools." Das Problem mit den langen Fahrzeiten ist auch ihm bewußt."Deshalb werden die Lehrveranstaltungen in Adlershof zu ungeraden Zeiten beginnen, während sie in Berlin-Mitte zu geraden Zeiten starten.Dadurch gewinnen die Studenten, die zwischen beiden Standorten pendeln müssen, eine Stunde." Außerdem setzt sich die Universität dafür ein, den Takt der zwischen Friedrichstraße und Adlershof verkehrenden S-Bahn-Züge zu verkürzen.Bisher fährt nur alle 20 Minuten ein Zug direkt durch, dazwischen muß man umsteigen."Aber das ist natürlich ein Herumdoktorn an Symptomen", so Kulke.Die Situation wird sich erst wesentlich entspannen, wenn alle Institute draußen sind.Er gerät ins Schwärmen: Dann werde es eine zentrale Bibliothek geben, die von 6 bis 22 Uhr geöffnet ist, große moderne Hörsäle, eine Cafeteria, in der Wissenschaftler mit Unternehmern diskutieren...

Um wenigstens den doppelten Umzugsstreß zu vermeiden, strebt die HU nun den Kauf des Business-Centers an.

Doch kaufen kann das Gebäude nur die Senatswissenschaftsverwaltung und es danach der HU zur Nutzung übergeben, und das auch erst ab 2007, da der 1997 errichtete WBC zehn Jahre als Rendite- und Abschreibungsobjekt für private Investoren gebunden ist, so Kulke.Die Senatswissenschaftsverwaltung erklärte sich inzwischen bereit, eine Kaufabsichtserklärung für 2007 abzugeben."Aber natürlich muß der Preis akzeptabel sein", so der Wissenschaftsstaatssekretär Ingolf Hertel.

Dann entfiele der ursprünglich geplante Neubau von Gebäuden für die Informatik und die Mathematik.Mit dem so eingesparten Geld - knapp 45 Millionen Mark - will die Universität die Bauarbeiten für die anderen Gebäude, also Chemie und Physik beschleunigen.Auch die Psychologen sollen vorfristig umziehen und ebenso wie die Geographen in den noch umzubauenden ehemaligen Kasernen unterkommen."Damit ist der größte Brocken des Umzuges dann erledigt", so Kulke.

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