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Gesundheit: Sommer ohne Erstsemester

Viele Hochschulen nehmen Anfänger nur noch zum Winter auf – mit Folgen für die Abiturienten

In den letzten Semestern begrüßten große Persönlichkeiten wie Sir Peter Ustinov, Loriot und Hildegard Hamm-Brücher die Erstsemester der Berliner Freien Universität. Am Mittwoch fällt die Feier kleiner aus. Der nicht ganz so bekannte Christoph Gottschalk, Berater des französischen Premierministers, spricht zu den FU-Neulingen. Kein Wunder: Die Zahl der Anfänger zum Sommersemester ist um mehr als zehn Prozent gesunken.

Immer weniger Studenten starten ihre Uni-Laufbahn im Frühjahr. Potenzielle Studienanfänger stehen vor verschlossenen Türen – nicht nur an der FU. Denn die Hochschulen bieten die neuen Bachelor- und Masterstudiengänge nur mit dem Start zum Oktober an. Geht die Entwicklung so weiter, fällt der Uni-Start ins Sommersemester bald völlig aus. Das hat auch Folgen für die Abiturienten.

Vor allem Universitäten mit vielen geisteswissenschaftlichen Fächern melden ähnliche Zahlen wie die FU. In Fächern wie Geschichte und Germanistik werden die neuen Abschlüsse als Erstes eingeführt. Wer sich zu diesem Semester an der Humboldt-Universität bewerben wollte, fand bei allen 30 Bachelor-Studiengängen den Vermerk „Zulassung nur zum Wintersemester.“ Vor wenigen Jahren starteten an der HU noch 1500 Studenten zum Sommersemester; gestern waren es nur 500. An der Uni Hannover gibt es in diesem April nur 150 Erstsemester, letztes Jahr waren es noch 500.

Die neuen Abschlüsse, die das Studium eigentlich beschleunigen sollen, sorgen bei Abiturienten nun für längere Wartezeiten. 44000 junge Männer absolvieren derzeit ihren neunmonatigen Bundeswehrdienst. „Viele Abiturienten haben bisher Wert darauf gelegt, im Juli anzufangen, um zum nächsten Sommer ihr Studium aufnehmen zu können“, heißt es bei der Bundeswehr: Wer im Juli einrückt, kommt am 31. März raus und könnte Mitte April mit dem Studium beginnen.

Viele der 78000 Zivildienstleistenden stehen vor demselben Problem. Mehr als die Hälfte wollte nach Angaben des Bundesamts für Zivildienst ihren Dienst bislang Anfang August starten, um im Frühjahr studieren zu können. „Viele legen extra ihren Urlaub ans Ende der Dienstzeit, um pünktlich ihr Studium antreten zu können“, sagt Rüdiger Löhle vom Bundesamt.

Nur spekuliert werden kann, ob junge Frauen ähnlich betroffen sind. Verlässliche Zahlen, wie viele nach der Schule zum Au Pair oder für ein Praktikum ins Ausland gehen, gibt es nicht.

Die Technische Universität Berlin, die in vielen Fächern Bachelor-Studiengänge erst noch einführen muss, will jetzt prüfen, ob sie weiterhin zwei Immatrikulationstermine anbietet. Die Humboldt-Universität überlegt, in großen Fächern wie Germanistik wieder Studenten zum Sommersemester zuzulassen, sagt Joachim Baeckmann, Leiter der Abteilung Studierendenangelegenheiten. Viel ändern können die Unis kurzfristig allerdings nicht. Die Module der Bachelor-Studiengänge verlangen eine intensivere Betreuung der Studenten, während die Unis gleichzeitig Personal abbauen müssen. Zweimal pro Jahr Bachelor-Studiengänge starten zu lassen, sei finanziell nicht zu machen, sagt Baeckmann.

Solange die Module der Bachelor-Studiengänge nur einmal pro Jahr angeboten werden, kann das für Studenten auch kürzere Aufenthalte an einer ausländischen Uni erschweren. Kommen sie nach einem halben Jahr wieder, müssen sie ein weiteres Semester warten, um wieder in den Takt der Lehrveranstaltungen einscheren zu können.

Womöglich bedarf es mittelfristig einer bundesweiten Koordination des Studienanfangs. Rheinland-Pfalz entlässt seine Abiturienten derzeit Ende März, damit sie im April an der Uni loslegen können. Dafür müssen die Landeskinder allerdings in der Heimat bleiben, denn die dortigen Hochschulen behalten vorerst den Semesterstart im Frühjahr bei.

Für den Großraum Berlin, wo mit HU, FU und der Uni Potsdam drei Hochschulen ein ähnliches Fächerspektrum anbieten, hat Joachim Baeckmann (HU) einen Vorschlag: Eine startet im Sommer, zwei im Winter.

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